Some like it heiß
Austausch ist immer gesund, und im besten Fall kriegt man eine neue Perspektive. Im schlechtesten Fall hat man sich wenigstens ausgeheult. Ich war völlig unvorbereitet auf die schnelle Abweisung von Mary Ann. Vielleicht bin ich in diesem Punkt schon sehr deutsch geworden, aber ich finde, Gespräche brauchen
Zeit
. Austausch. Auseinandersetzung. Veranschaulichung. Nachdenken – kostbar! Ich frage mich manchmal, ob ich mir nur Probleme schaffe, weil ich die deutsche Diskussionskultur so mag. Deutsche diskutieren bis zum Abwinken: Von Sport bis Politik, vom Kanzlerkandidaten bis Heidi Klum: Alles ist diskussionswürdig, und jeder hat eine Meinung zu allem und teilt sie gerne mit. Allein die ARD – fünf Diskussionsrunden pro Woche! In meinen ersten Jahren inDeutschland hatte ich tierische Angst vor der intellektuellen Aggression dieser Runden. Mein Mitbewohner war ein großer Fan des Literarischen Quartetts. Ich verstand damals kein Wort Deutsch und hörte die Sprache nur wie Hintergrundmusik – die quietschende Stimme von Reich-Ranicki, den mürrischen Klang von Karasek: Es war wie »Tom and Jerry« auf hohem Niveau! Voller Seufzer und »Ach, Gott!« – und »Darfichbittezuendereden«-Rufe – und es dauerte Stunden. Marcel Reich-Ranicki auf Antidepressiva? Niemals! »Der neue Achthundert-Seiten-Roman von Günter Grass? Na ja, ist schon okay, das kann man ruhig lesen …« Bitte nicht. Der Mann ist durch die Hölle gegangen, arbeitete sein ganzes Leben wie ein Tier, ist voller Leidenschaft und ärgert sich immer noch. Meine Schwester würde ihm raten:
»Take them. It works. And if it doesn’t work you don’t care.«
I want to care! Ich möchte teilhaben. Ich möchte mich ärgern und freuen und manchmal auch zweifeln – so ist das Leben. Ich bin auch
sehr
dafür, Hilfe zu holen, wenn man sie braucht. Ich habe lange in New York gewohnt, wo Therapeuteneinfacher zu finden sind als ein funktionierendes Münztelefon. Ich hatte keine Krankenversicherung und gar kein Geld, aber eine tolle Therapeutin mit einem flexiblen Terminkalender, who let me talk für fünfzig Minuten jede Woche über meine Sorgen, meine Träume, über Körper und Seele, über Gott und die Welt. New Yorker brauchen Therapeuten wie Deutsche Apfelkuchen. Man wartet die ganze Woche darauf und fühlt sich besser danach.
Als ich nach Berlin kam, hatte ich immer noch kein Geld und keine Krankenversicherung, aber schnell eine tolle Therapeutin gefunden – ebenfalls mit flexiblem Kalender. Ich erzählte allen, die ich traf: »I found a great therapist!«, bis ich merkte, dass die Leute mich anschauten, als ob ich bald von einem Krankenwagen abgeholt und in einer Zwangsjacke in die nächste Anstalt eingeliefert werden würde. Ich wusste noch nicht: Niemand in Deutschland spricht über so etwas. Für eine Gesellschaft, die so öffentlich über fast jedes Thema reden kann, ist Psychotherapie immer die letzte Ausfahrt vor der Klinik. Vielleicht brauchen die Deutschen das nicht, weil sie einfach am Sonntagabend Günther Jauch besuchen, dann Sandra Maischberger, dann Maybrit Illner,jeden Abend jemand Neues, bis man sich schließlich besser fühlt.
Or maybe you just don’t need to feel better. Es ist ganz simpel: Den Deutschen geht es gut! Die neueste Langzeitstudie besagt, dass die Deutschen so zufrieden mit ihrem Leben sind wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der »Glücksatlas Deutschland« bewertet Lebenszufriedenheit – und besonders glücklich sind die Norddeutschen. Wirklich? Somebody tell them that! »Moin.«
Obwohl, die Norddeutschen haben etwas. Wattenmeer und Nordseehimmel, Rote Grütze und schöne Kühe. Schleswig-Holstein ist eines der ärmsten Bundesländer, liegt aber ganz weit vorne im Atlas. Vielleicht, weil sie wissen, dass alles von Natur aus in Bewegung ist, alles im Fluss, alles Veränderung. Wie der immer wechselnde Nordseehimmel, die Wellen, das Meer – Schleswig-Holstein is always going through The Change.
Alles ist so bodenständig und naturverbunden hier in der Heimat von Birkenstock und Dr. Hauschka. Tiefe, tiefe Seele, großer, großer Himmel – it’s like living in einem überdimensionalen Caspar-David-Friedrich-Erlebnispark. Romantikaland! Four Elements made in Germany. Ist esnicht toll, an der Ostsee in einer Kreideschlammpackung zu schwitzen, dann splitternackt in das eiskalte Meer zu springen, dann stundenlang vor dem Kamin zu sitzen und zu atmen? Herrlich! Genießen an der frischen Luft! Ich glaube mittlerweile,
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