Some like it heiß
nutzte, um »Architectural Digest« zu lesen und Ermutigung zu finden. Ich erzählte ihr von meinem Dilemma und bat sie um ihre professionelle Meinung. Sie reichte mir einen Milchkaffee in einer Porzellanschale und sagte voller Mitgefühl: »Was Sie sich nehmen sollten, Frau Tufts, ist eine Pause. Für Sie passiert sehr viel im Moment, Sie brauchen ein bisschen Zeit für sich.«
Ich reagierte hysterisch. »Das geht überhaupt nicht!«, jaulte ich auf. »Ich arbeite an einer neuen Show und habe sechzig Leute zu bezahlen, und ich muss Deutschland zeigen, wer ich bin! Außerdem muss ich nächste Woche nach Hamburg zur NDR-Talkshow und ganz früh nach Düsseldorf für ›Volle Kanne‹ und anschließend nach Ludwigsburg zu einer Diskussionsrunde überkreative Frauen!« Ich fing an zu schwitzen und zitterte ein bisschen – vielleicht wäre es kluger gewesen, den Milchkaffee nicht zu trinken. »Entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht jammern, aber ich kann mir jetzt keine Pause nehmen! Unmöglich. Völlig unmöglich!«
In diesem Moment bekam ich eine SMS von meiner besten Freundin: »Rescue-Tropfen. Schüßlersalze Nummer 1,3,7. Wir gehen morgen früh im Wald walken und sprechen dann. Dicke Umarmung. Alles wird gut! J«
Diese kleine Botschaft beinhaltet alle Bestandteile meiner Überlebensstrategie:
1. Bachblüten
Die
Bach Flower Remedies
sind ein alternatives medizinisches Verfahren, das von dem englischen Botaniker Edward Bach in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde. Er war ein Fan des Psychologen C. G. Jung und glaubte, dass jede körperliche Krankheit auf einer seelischen Gleichgewichtsstörung beruht. Die Ursache dafür war seiner Meinung nach ein Konflikt zwischen der unsterblichenSeele und der individuellen Persönlichkeit. Er beschrieb achtunddreißig disharmonische Seelenzustände der menschlichen Natur und kreierte Tinkturen aus Pflanzen, um diese durch die Schwingungen der pflanzlichen Energie zu heilen. Ich habe keine Ahnung, warum chestnut bud, die Kastanienknospe, gut »für Leute, die Lektionen des Lebens nicht lernen«, sein sollte oder warum rescue remedy, Notfalltropfen, eine Mischung aus rock rose, impatiens, star of Bethlehem und cherry plum bei Angstzuständen und Panikattacken helfen sollen. Doch diese Zutaten, die klingen wie die Mitglieder einer Glamrockband, lindern meine Beschwerden, obwohl mehrere Studien keine Hinweise auf irgendeine medizinische Wirksamkeit geliefert haben. Vielleicht hat es etwas mit der Tatsache zu tun, dass die Tinkturen eine Fünfzig/Fünfzig-Mischung aus Branntwein und Wasser sind. Das schwingt!
2. Schüßlersalze
Okay, ich weiß, die Stiftung Warentest urteilte 2005, dass »Biochemie nach Schüßler zur Behandlung nicht geeignet ist« – but it works forme. Zwölf Mineralsalze, die im neunzehnten Jahrhundert vom homöopathischen Arzt Wilhelm Heinrich Schüßler entwickelt wurden, sollen jede Krankheit heilen können. Dass eine Wirksamkeit nicht bewiesen ist, ist mir egal. Meine Heilpraktikerin schwört darauf, und für nur drei Euro pro Flasche nehme ich die kleinen Tabletten als Hormonersatz-Ersatz gerne zu mir und fühle mich danach sofort besser, weil ich ein Schnäppchen gemacht habe. Die Tablettchen bestehen hauptsächlich aus Milchzucker, es ist durchaus möglich, dass mein Feelgood-Faktor nur ein Zuckerrausch ist. Warum bringen wir nicht ein neues Ben & Jerry’s-Eis auf den Markt:
Schüßlersensation!
– eine Mischung aus Vanilleeis, grünem Tee und Ferrum Phosphoricum D12 – lecker!
3. Bewegung
Ich glaube fest daran! Wir müssen in Bewegung bleiben – körperlich und seelisch, unser ganzes Leben lang. Meine neue Entdeckung ist Power Walking, auf gut Deutsch Pauerwoken, eine Fortbewegungsart, die wir früher »spazieren gehen,wenn man pinkeln muss«, genannt haben. Heute heißt es Power Walking. Ich nenne es auch New York City Walken – ich gehe einfach so, wie ich in Manhattan immer gegangen bin: als ob ich viel zu spät dran bin, um von einem Job zum anderen zu kommen, aber ohne hupende Taxis, Smog oder langsame europäische Touristen auf der Straße, die mich bremsen. Man kann es alleine machen oder mit Freunden und Kollegen, überall, wo man zusammenkommt, bei jedem Wetter, und es kostet nichts. Es ist leider wahr – je älter wir werden, desto mehr Bewegung brauchen wir. Genau in dem Moment, wo wir gerne auf dem Sofa liegen bleiben würden, um Champagner zu schlürfen und Godiva-Pralinés zu naschen, müssen wir
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