Some like it heiß
Verrücktwerden.
Die Wechseljahre sind aber keine mental health disorder, keine geistige Krankheit, die Frauen ab vierzig plötzlich bekommen. Viele Frauen erleben heftige Stimmungswechsel, Angst und Depression – aber das ist nur eine Reaktion auf hormonell bedingte Veränderungen im Gehirn und kein One-Way-Ticket to the Klapsmühle.
Obwohl es sehr lange so gesehen wurde: Die Wurzeln dieser Auffassung reichen zurück bis ins alte Griechenland, fünfhundert Jahre vor Christi Geburt, zurück bis zu Hippokrates, dem ersten Doktor Feelgood überhaupt. Er benutztezum ersten mal das Wort »Hysterie«. Es kommt aus dem Griechischen und basiert auf dem Wort
hystera,
Gebärmutter. Es zeigt Dr. Hippos Überzeugung, dass die Gebärmutter, wenn sie nicht regelmäßig mit Sperma gefüttert wird, im Körper suchend umherschweift und sich schließlich am Gehirn festbeißt. Dies führe dann zum typischen »hysterischen« Verhalten. Verständlich. If my Gebärmutter was biting mein Gehirn, I’d be hysterisch too! Dieser kritische Zustand kann durch eine Hysterektomie korrigiert werden – die Entfernung der Gebärmutter. Auf Deutsch: Totaloperation.
Als ich zum ersten Mal in Deutschland noch ohne Sprachkenntnisse zur Frauenärztin ging, konnte ich gar nicht mehr aufhören zu lachen. Dass mein Uterus eine »Gebärmutter« sein sollte, fand ich extrem witzig. Ich sah die schönsten Folgen der TV-Serie »Mein Freund Ben« vor mir, in denen eine nette Familie mit dem Grizzlybären Ben lebt. Ich stellte mir kleine tapsige Grizzlys in meinem Beckenboden vor, die ich als schützende Park-Rangerin mit Honig versorgen musste, um sie vor dem Aussterben zu retten. Ich bin immer noch der Meinung, dass der Begriff »Totaloperation« eine Erfindung vonGoebbels ist: »Wollt ihr die
TOTALOPERATION
!?«
Die Geschichte der Hysterie ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Im viktorianischen England kriegten Damen in den Wechseljahren denselben Rat, den man ihnen vor der Hochzeitsnacht gab: »Close your eyes and think of England!« Im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts versuchte man das Problem kulinarisch anzugehen – Madame bekam pulverisierte Schafeierstöcke auf Schwarzbrot zum
petite déjeuner.
In Deutschland brachte Merck, die Darmstädter Pharmafirma, ein Präparat namens »Ovarlin« auf den Menopausenmarkt: eine Pille voll zerkleinerter getrockneter Kuheierstöcke.
Merck ist bis heute einer der internationalen Marktführer in The Big Business of Hormonersatztherapie. Die Einnahme von Östrogenen und Gestagenen in unterschiedlichsten Formen ist ein kompliziertes und umstrittenes Verfahren. Obwohl Beschwerden wie Hitzewallungen und Reizbarkeit durchaus gelindert werden können, gibt es auch den Verdacht auf ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Schlaganfälle, Herzinfarkt und Thrombose. Bei anderen Frauen wirkt es sich positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungenund Osteoporose aus. Eine Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass die Einnahme von Hormonen gegen Wechseljahrbeschwerden in Deutschland in den letzten zehn Jahren dramatisch gesunken ist – von vierzig auf unter neun Komma sechs Prozent. Es gibt fünfundzwanzig Millionen Frauen weltweit, who genau in dieser Sekunde in the Wechseljahre sind, und viele von uns don’t know, what the fuck to do.
Alle Frauen in meinem Gesundheitsteam sollten eigentlich im selben Boot sitzen, nicht nur, weil sie alle mitten in den Wechseljahren sind. Meine Frauenärztin bekommt Karriere und Kinder geschickt unter einen Hut. Sie ist Pragmatikerin und glaubt voll und ganz an den Einsatz von Hormonen. »Sie werden Ihnen helfen, Frau Tufts«, sagte sie, als ich weinend, ausgepowert und breitbeinig auf ihrem Untersuchungsstuhl lag. »Nehmen Sie die Hilfe an.« Nach drei Wochen Tablettenschluckens und Geleinreibens schrie meine Osteopathin: »Was ist HIER los?« Sie massierte gerade meinen nackten, von Wassereinlagerungen aufgeschwollenen Körper. Lissie ist nur sieben Tage älter als ich, auch eine Klimakteriumskämpferin und dabei nach wie vor sehr humorvoll und intelligent. Siewar strikt: »Das geht überhaupt nicht! Du hörst sofort mit diesem Hormonscheiß auf!« Ich war verwirrt und fing schon wieder an zu heulen.
Ich fühlte mich wie Hormon-Hamlet: »Schlucken oder nicht schlucken, das ist hier die Frage!«
Meine Hausärztin ist eine wunderschöne Frau mit einer stilvollen Praxis in Berlin-Charlottenburg. Es ist eine ruhige Oase, die ich in diesen Tagen immer öfter als Zufluchtsort
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