Someone like you - Dessen, S: Someone like you
Klassenkameraden meinen entblößten Allerwertesten präsentieren. Nein, unmöglich, nicht einmal für Scarlett würde ich das tun.
»Du warst früher so nett«, fuhr Noah fort, »aber plötz lich hast du dir in den Kopf gesetzt, es wäre cool, mit Macon Faulkner abzuhängen und so. Dabei kamst du dir wohl besonders toll vor, was? Als wärest du plötzlich was Besseres, als wärest du zu gut für jemanden wie mich.«
»Halt die Klappe, Noah.«
»
Du
hältst die Klappe«, polterte er los. Zwei Mädchen in weißen Kleidern und Stöckelschuhen schauten angestrengt herüber und versuchten uns im Dunkeln zu erkennen.
Ich ignorierte Noah und griff gerade wieder nach hinten, um mich mit dem zerrissenen Teil meines Kleides zu |321| beschäftigen, da stürzte er sich plötzlich regelrecht auf mich. Sein Schnapsatem schlug mir ins Gesicht. Ich hatte gar nicht mehr gewusst, wie groß er war. Er umschlang meine Hüften, steckte seine Hand durch den Riesenspalt in meinem Kleid und fummelte an meiner Unterwäsche rum. Zu verdattert, um sofort zu reagieren, starrte ich ihn an, während sein Gesicht immer näher kam. Er hatte die Augen geschlossen, seine Zunge stülpte sich über seine Lippen und –
»Pfoten weg!«, sagte ich laut und schubste ihn von mir. Er schwankte, stolperte über einen Baumstumpf und landete genau in dem Moment auf dem gepflasterten Weg zur Cafeteria, als eine Gruppe Leute vorbeikam. Ich lehnte mich an die Wand. Es war mir egal, ob mich jemand sah. Alles war mir egal, mein Kleid, dieser Abend, alles.
»Hoppla«, sagte ein Typ. Er wäre beinahe auf Noah getreten, der bäuchlings vor ihm lag und blinzelte. »Alles klar, Kumpel?«
»Sie ist so eine . . . so eine verdammte . . .«, stammelte Noah und rappelte sich mühsam hoch. Dann ging er auf unsicheren Beinen davon, wobei er sich an der Gebäude wand abstützte und unverständliches Zeug vor sich hin murmelte. Der Typ und seine Begleiterin lachten etwas unsicher, sahen ihm kurz nach und gingen dann weiter Richtung Schulhof, Cafeteria, Melissa Ringley. Ich war allein.
Ich überlegte, ob ich nach Hause fahren sollte. Ich hatte genügend Geld dabei, um einfach aufzugeben, Abschlussball Abschlussball sein zu lassen, mir ein Taxi zu bestellen oder meinen Vater anzurufen, damit er mich abholte. Aber Scarlett würde sich Sorgen machen, wenn ich stillschweigend abhaute. Deshalb raffte ich mein Kleid hinten mit einer |322| Hand zusammen und marschierte los, um ihr Bescheid zu sagen.
Sie und Cameron waren bereits auf der Tanzfläche. Sehr eng konnten sie wegen ihres Bauches nicht miteinander tanzen, doch sie taten ihr Bestes. Mit den beiden drehten sich im Takt der Musik lauter Bilderbuchschönheiten, perfekt gestylt und geschminkt, mit Hochsteckfrisuren, Lippenstift, Stöckelschuhen sowie Tanzpartnern in Smoking und schwarzen Lackschuhen. Ginny Tabor und Brett Hershey, die zum offiziellen Prinzenpaar des Balls gekürt worden waren, standen mit ihren Kronen auf dem Kopf neben dem Tisch mit der – alkoholfreien – Bowle und knutschten. Regina Little, eines der fettesten Mädchen an unserer Schule, trug ein weißes Reifrockkleid und tanzte mit einem Kerl in Uniform, der aussah, als wäre er mindestens dreißig. Und dann entdeckte ich Elizabeth Gunderson und Macon; wie ich standen sie am Rand der Tanzfläche und beobachteten die Leute ohne zu tanzen, zu lächeln, zu reden.
Macon bemerkte mich ebenfalls, sah mich an. Da über kam es mich plötzlich wieder, zum ersten Mal seit sehr langer Zeit: dieses rauschhafte, dieses Irrsinnsgefühl, das ich auch auf dem Staudamm am Topper Lake empfunden hatte. Er sah super aus, wie er mich so angrinste. Und in diesem verzweifelten Moment, allein auf dem Abschlussball, kam mir unwillkürlich der Gedanke, wie es wohl wäre, mich einfach von ihm entführen zu lassen, nur weg von hier.
Auf einmal wurde mir alles zu viel, stürmte auf mich ein, überwältigte mich. Der Abschlussball und Michael und meine Mutter und das Baby. Macon und Ronnies Haus und jene Nacht im Auto, als das Glas in tausend Stü cke |323| zersplitterte und mir um die Ohren flog. Elizabeth Gunderson und ihr Schlangengrinsen, die Kälte, als ich in der Silvesternacht im Gebüsch kotzen musste, Oma Halleys Hand knochig und warm in meiner. Dann Noah, der mit heraushängender Zunge immer näher kam, und schließlich Scarlett auf der Tanzfläche, wie sie sich direkt vor mir im Rhythmus der Musik bewegte und selig lächel te und lächelte.
Ich schob mich durch die
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