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Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Titel: Someone like you - Dessen, S: Someone like you Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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starrte, hielt ich den Mund.
    Der Aussegnungsgottesdienst begann verspätet. Und immer noch strömten Leute herein, stellten sich entlang der Wände auf, fächelten sich mit den Programmblättern Luft zu. Elizabeth Gunderson wurde hereingeführt und zu einem Stuhl gebracht; sie heulte immer noch, ebenso Ginny Tabor, die ihr folgte. Es war seltsam, unsere Mitschüler bei diesem Anlass, in dieser Umgebung zu sehen: Einige |50| waren offensichtlich daran gewöhnt, sich für die Kirche anzuziehen, und trugen ihre ordentlichen Klamotten ganz selbstverständlich, während andere fehl am Platze wirkten und unbehaglich an ihren Schlipsen oder feinen weißen Hemden herumzupften. Was Michael wohl dachte, wäh rend er auf die vielen Menschen mit geröteten Gesichtern herabblickte, die auf den Bänken hin und her rutschten; auf die flennenden Mädchen, die er zurückgelassen hatte; auf seine Eltern und seine kleine Schwester, die in der ersten Bank saßen, still, traurig, mit versteinerten Mienen? Wieder warf ich einen Blick auf Scarlett neben mir, die ihn für so kurze Zeit so sehr geliebt hatte, und legte meine Hand auf ihre. Sie erwiderte meinen Händedruck ohne mich anzusehen. Schaute stattdessen weiter starr geradeaus.
    Der Gottesdienst war kurz und förmlich. Dadurch, dass es so voll war, herrschte in der Kirche eine fast unerträgli che Hitze; vor lauter Luftfächeln und knarrendem Herumrutschen auf Kirchenbänken konnten wir den Pfarrer kaum verstehen. Er sprach darüber, wie viel Michael den Menschen, die ihn kannten, bedeutet hatte. Sagte was davon, dass Gottes Wege unerforschlich seien und er schon seine Gründe habe. Nach zehn Minuten stand Elizabeth Gunderson auf und rannte, gefolgt von ihrer besorgten Entourage, den Mittelgang hinunter, die Hand auf den Mund gepresst. Die beiden älteren Frauen neben uns schüttelten missbilligend die Köpfe. Scarlett drückte so fest zu, dass ihre Fingernägel sich in meine Hand eingruben.
    Nach dem Gottesdienst gingen die Menschen in langen Reihen aus der Kirche, wobei ein unbehagliches, verlegenes Gemurmel entstand. Draußen war es in der Zwischenzeit |51| ziemlich dunkel geworden. Ein starker Wind blies, der nach Regen roch; über den Bäumen türmten sich große, schwarze Wolken auf.
    In dem Gewimmel aus Stimmen, Gesichtern, Farben vor der Kirche hätte ich Scarlett beinahe aus den Augen verloren. Brett Hershey, Kapitän der Footballmannschaft, führte Ginny, die sich schwer auf ihn stützte, aus der Kirche. Elizabeth saß, das Gesicht in den Händen vergraben, bei geöffneter Tür auf dem Vordersitz eines Wagens, der auf dem Parkplatz stand. Die Menschen standen herum, ihre Programmblätter in den Händen, blickten in den Himmel und wirkten verunsichert. Als warteten sie auf Erlaubnis, gehen zu dürfen.
    »Arme Elizabeth«, meinte Scarlett leise. Wir näherten uns ihrem Auto.
    »Sie hatten sich schon vor einiger Zeit getrennt«, sagte ich.
    »Ja, stimmt.« Sie kickte einen Kiesel gegen das Bodenblech des Wagens, wo er scheppernd abprallte. »Aber er hat sie wirklich geliebt.«
    Ich sah sie an. Der Wind blies ihr die Haare ums Gesicht, das weiß von Marions schwarzem Kleid abstach. Wenn ich sie in solchen Momenten sah, zufällig, ihrer selbst nicht bewusst, war sie am schönsten. »Dich hat er auch geliebt«, sagte ich zu ihr.
    Sie hob den Kopf, schaute in den wolkenschwarzen Himmel. Der Regengeruch wurde immer stärker. »Ich weiß«, antwortete sie verhalten. »Ich weiß.«
    Der erste fette Regentropfen platschte schwer auf meine Schulter, hinterließ einen runden, dunklen Fleck. Und plötzlich goss es in Strömen. Der Regen kam herunter wie aus Eimern und jagte die Leute zu ihren Autos, wobei sie |52| die Programmblätter über ihre Köpfe hielten – ein mickriger Schutz. Scarlett und ich stürzten uns quasi kopfüber in ihren Wagen und sahen zu, wie das Wasser über die Windschutzscheibe strömte. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen so heftigen Regenguss miterlebt hatte.
    Wir bogen in die Main Street ein. Scarlett fuhr einen Ford Aspire, den ihre Großmutter ihr im April zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Er sah aus, als hätte man einen geräumigen Wagen mit dem Brotmesser in zwei Hälften geschnitten, um zwei Autos daraus zu machen, und war ungefähr so groß wie ein Schuhkarton. Als wir einen kleinen Sturzbach überquerten, der sich über die Straße ergoss, kam mir flüchtig der Gedanke, ob wir wohl von der Strömung mitgerissen und

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