Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
wusste, dass mich Moje schon bald einholen würde. Das hier war eine Kreuzung, und das bedeutete, dass ich, wenn ich aufs Geratewohl einen Gang auswählte, vielleicht in genau die Richtung rennen würde, aus der ich gekommen war. Und das hieße dann, dass ich Moje und seinen Sturmtruppen geradewegs in die Arme laufen würde.
    Ich blickte zum Kanaldeckel hinauf. Auf halber Höhe erkannte ich einen schmalen, bröckeligen Steinvorsprung, und ich dachte, wenn ich es schaffte, mich mit dem Fuß darauf abzustützen, könnte ich den Kanaldeckel vielleicht aufstoßen und ins Freie gelangen. Einfach würde das nicht werden. Alleine schon der Gedanke daran machte mich unendlich müde.
    Ich schloss die Augen und bereitete mich vor. Ich hörte, wie Moje und seine Leute sich wieder orientierten, und sie kamen stetig näher. Ich stopfte mir meine Ersatzwaffe in eine Tasche und dachte mir noch: Wenn ich das hier nicht schaffe, werde ich mich nicht kampflos ergeben. Und dann: Wenn jetzt von irgendwoher ein Mönch auftauchen und mir die Erlösung anbieten würde, und wenn der bereit wäre, mich davor zu bewahren, mich für den Tod von sechsundzwanzig Menschen und noch einer ganzen Latte anderer Vergehen verantworten zu müssen, dann würde ich das Angebot sofort annehmen. Ich holte tief Luft, berechnete Winkel, wahrscheinliche Annäherungswinkel, und wie ich mich meinem Opfer nähern würde, wenn ich mit einem TS ausgestattet wäre, das mich wie ein Chamäleon mit den Wänden verschmelzen ließe.
    Ich suchte mir die richtige Stelle aus – ein Wandstück, in dem der Mörtel zwischen den einzelnen Ziegelsteinen schon herausgekratzt war, sodass im Halbdunkel kaum erkennbare Schatten zurückblieben – und sprang darauf zu. Es gelang mir, zwei Finger in eine dieser Lücken zu schieben und dann einen Fuß auf den winzigen Steinvorsprung zu platzieren. Mein Herz hämmerte wie verrückt, als ich mich hochzuziehen versuchte, weiter, weiter, bis ich fast schon auf dem Vorsprung stand, den Körper fest gegen die glitschige Wand gepresst.
    Ich drehte mich ein wenig zur Seite und streckte einen zitternden Arm nach dem Kanaldeckel aus. Fast … fast … der Schweiß rann mir in die Augen, und ich nahm alle Kraft für einen letzten Versuch zusammen, als ich plötzlich über mir ein Kratzen hörte. Ich erstarrte, wagte nicht, mich zu rühren, sondern blickte nur aus dem Augenwinkel zum Kanaldeckel hinauf. Der Deckel bewegte sich, wurde zur Seite geschoben, und dann sah ich den dunkelblauen Nachthimmel über mir. Ein blasses, lächerlich freundliches Gesicht, halb verborgen hinter einer modischen Sonnenbrille, erschien an der Kante. Mir hatte der Schock die Sprache verschlagen.
    »Kommen Sie schon«, sagte Dick Marin. »Ich zieh’ Sie hoch. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit; ich muss gleich noch in Sydney vor den obersten Chefs des SSD eine Rede halten.«

XV
    Betrachten Sie das hier als ihr
    Gesundheitsprogramm
     
    00101
     
     
    Ich starrte Marin an; vor Anstrengung zitterte ich am ganzen Körper. Sein blasses Gesicht verschwand, dann kroch wie eine Schlange ein robust wirkendes Seil zu mir hinab.
    »Kommen Sie! Ich ziehe Sie hoch.«
    Das Geplatsche von Moje und seinen Sturmtruppen war immer deutlicher zu hören, ihr Gebrüll wurde organisierter – sie hatten meine Spur wiedergefunden und kamen näher. Wahrscheinlich hatten sie Thermo-Sichtgeräte eingesetzt; mir blieben nur noch ein paar Sekunden. Ungläubig starrte ich Marins Seil an. Was zum Teufel macht der Oberschnüffler in Newark? Was meint er denn, wie er mich raufziehen kann?
    »Cates! Jetzt kommen Sie schon? Ich habe keine Zeit für Ihren Existenzialisten-Scheiß!«
    Ich erschauerte und schüttelte die ungläubige Tatenlosigkeit ab. Dann streckte ich die freie Hand aus und bekam das Seil zu fassen. Es fühlte sich sonderbar rutschig und erstaunlich stabil an. Ich drehte mich nach dem Gang um, aus dem ich gekommen war, und hörte Moje und seine Männer so laut und deutlich, dass ich jeden Moment mit ihrem Auftauchen rechnete; doch die Akustik in diesen Abwasserkanälen ließ sie deutlich näher klingen, als sie in Wirklichkeit waren. Ich wickelte mir das Seil in mehreren Windungen um den Unterarm und packte es schließlich wieder mit der Hand, zog einmal kräftig daran, um die Tragfähigkeit zu überprüfen, und blickte zum Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten des SSD hinauf.
    »Was immer Sie noch vorberei …«
    Marin stieß einen Grunzlaut aus, zog an dem Seil und hob

Weitere Kostenlose Bücher