Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
habt’s gehört«, sagte Happling und stopfte sich ein Tabakbällchen in die W a nge. »He, Dicke, mach die Luke auf!«
Ohne zu zögern, ließ die Sturmtrupplerin, die der Steuertafel am nächsten stand, die Abdeckung aufklappen und drückte dann auf einen großen grünen Knopf. Als die Türen fast lautlos zur Seite glitten und immer weiter im Rumpf des Schwebers verschwanden, begannen alle Sturmtruppler gleichzeitig, noch einmal nach ihrer Ausrüstung zu tasten. Sie schlugen sich gegenseitig gegen die Hüfte, um die Sicherungen ihrer nächststehenden Kameraden zu überprüfen. Dann gaben sie einander einen Klaps auf die Schulter, um zu signalisieren, dass die Überprüfung erfolgreich gewesen sei. Der Wind umtoste uns, dröhnend und heftig. Dann stellten sich die Sturmtruppler wortlos in Dreierreihen auf. Der jeweils Erste in der Reihe kauerte sich zusammen und balancierte sich aus, die beiden anderen hielten sich bereit.
Von meiner Position aus konnte ich die Silhouette der Stadt erkennen, nicht aber den Boden unter uns. Rauchsäulen stiegen auf, einige davon weiß und flaumig, andere dunkel und bedrohlich.
Schweigend nickte Hense. »Los, los, los!«, brüllte Happling, versprühte dabei braunen Speichel, und die vorderste Reihe der Sturmtruppen sprang aus dem Schweber, sofort gefolgt von der zweiten und dann dritten. Die Sprungleinen summten, als sie immer weiter abgespult wurden. Gerade eben noch hatten sich die Sturmtruppler vor dem grauen Himmel abgezeichnet, im nächsten Moment toste nur noch der Wind durch die Kabine, und Happling stand drohend vor mir, die Arme in die Hüften gestemmt – wie ein gottverdammter Titan, der das Treiben der Sterblichen überwachte.
»Cap«, war die Stimme eines der Sturmtruppler knackend zu hören; der Akzent war unverkennbar. »Cap, hier spricht Team Leader.«
Happling spie Tabaksaft auf das Deck. »Sprechen Sie, Team Leader!«, dröhnte er, dann wandte er sich Hense zu. »Keine Schüsse.«
»Cap, schicken Sie den VIP runter. Keine Bedrohungen erkennbar. Verdammt, hier gibt es nichts als Leichen.«
XXX
Tag zehn:
ich war mir ziemlich sicher,
dass Kugeln allein nicht mehr reichen
würden
»Alles frei«, sagte die Sturmtrupplerin mit dem rundlichen Gesicht zu mir. Ihre Kapuze halte sie zurückgeschoben. »Aber passen Sie gut auf, wo Sie hintreten! Die sind alle schon ziemlich weich.« Sie klang, als habe sie schon so manches Mal auf Leichen herumlaufen müssen, die sich allmählich verflüssigten.
Der Geruch, der uns hier umgab, kam mir wie ein grünlicher Nebel vor, so schwer und allgegenwärtig war er. Wir waren nur einen Häuserblock weit von den Überresten des Pennsylvania Hotel entfernt. Aber ich hatte das Gefühl, in eine gänzlich fremde Stadt gekommen zu sein – eine Stadt der Stille, in der es überall Rauch gab. Eine Stadt zahlloser Leichen, die im Schein der kühlen Junisonne allmählich verrotteten.
Sie waren überall und sahen nicht ganz so schlimm aus, wie ich es mir vorgestellt hatte – ein wenig frischer. Das Landefeld lag hinter mir, umgeben von einer Mauer aus Schlackesteinen und Sicherheits-Checkpoints. Die ganze freie Fläche, die es umgab, hatte mich schon immer ein wenig nervös gemacht -all diese Luft und so viel Platz! Ich zog die tiefen Straßenschluchten zwischen den alten baufälligen Wolkenkratzern vor, die überfüllten Gassen von Downtown, in denen man ständig seine Mitmenschen berührte. Bei derartigen Freiflächen schien es mir immer, als wären zahllose Augenpaare auf mich gerichtet.
Wir waren gelandet, unsanft und wackelig, ein Stückchen neben dem eigentlichen Landefeld, und hatten mit dem Fahrwerk ein paar Dutzend glibberiger Leichen zerquetscht. Ringsum lagen weitere Leichen, so angeschwollen, dass ihre Kleidungsstücke kaum noch passten; rings um sie verstreut lagen Gepäckstücke. Alle Leichen sahen aus, als seien sie bei lebendigem Leib aufgefressen worden: Auf der Brust und am Hals hatten sie große Wunden, unter aufgeplatzter Haut ragten Knochen hervor. Vorsichtig trat ich näher, blickte sie an und konnte einige Details erkennen – gute Kleidung, Schmuck, saubere Fingernägel. Das waren reiche Leute gewesen. Ihre Augen waren offen, die meisten noch in gutem Zustand, und starrten uns an.
»Verdammte Scheiße«, murmelte Happling, der neben mir stand. »Diese Scheiße ist doch einfach widerlich.« Er deutete auf etwas. »Einschüsse. Von Shreddern. Ich weiß nicht, was diese armen Kerle so aufgefressen hat,
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