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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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vorstellen, wie sie Gewebe zerrissen und zerschnitten, wie sie dafür sorgten, dass mein Blut immer weiter zwischen meine Eingeweide sickerte. Ich richtete mich auf, hob die Hand und presste Belling den Lauf meiner Waffe fest gegen den Hinterkopf. »Wa, ich falle hier gerade massiv vom Glauben ab. Und ich schwöre dir, wenn du …«
    Mit einem weiteren Schlingern setzte sich die Kabine wieder quietschend in Bewegung und stieg mehrere Sekunden lang zitternd in die Höhe. Ich ließ die Waffe wo sie war, und Belling neigte mir ein wenig den Kopf zu. »Geduld, Mr Gates.«
    »Scheiß auf Geduld! Wir alle werden hier lebendig gefressen !«
    »Mr Gates, ich war zusammen mit Mr Orel vor dreiunddreißig Jahren in Kampala. Damals war ich noch ein junger Mann. Die Amerikaner hatten uns angeheuert, drei Deutsche zu erledigen, weil die Amerikaner – na ja, also diese Amerikaner zumindest – versuchen wollten, den Vereinigungsprozess zu untergraben. Als wir in das Land einreisen wollten, zweifelte man an der Echtheit unserer Papiere. Wir hatten ein paar Schwierigkeiten bei der Flucht, und ich habe einen Schuss in den Rücken abbekommen. Die Kugel saß fest in meinem Muskelgewebe. Das waren Schmerzen, die Sie sich nicht einmal vorstellen können. Bei jeder Bewegung hat es sich angefühlt, als würde mich jemand mit einem sehr stumpfen Messer in Stücke schneiden, und es bestand die ganze Zeit über die Gefahr, dass es zu einer Lähmung käme. Ich habe mich nicht beklagt. Ich habe mich auch nicht ausgeklinkt, als es darum ging, den eigentlichen Einsatz durchzuziehen. Als wir dann fertig waren, da war die Kugel immer noch da. Erst dann habe ich dafür gesorgt, dass sich jemand darum kümmert. Das meine ich mit Geduld.«
    Ich tippte ihm mit der Mündung meiner Waffe gegen den Hinterkopf. »Ich bin sehr beeindruckt, Mr Belling.«
    Ein leises ›Ping!‹ erklang, dann kam der Fahrstuhl stockend zum Stehen. Im Halbdunkel sah ich Bellings Grinsen. Dann hob er sein Stemmeisen und öffnete grunzend mit einem einzigen Ruck die Tür.
    Scheußlich gelbes Licht durchflutete die kleine Kabine. Es brachte mich dazu, vor Schmerzen das Gesicht zu verziehen. Belling wandte sich erneut uns zu und zog eine seiner Pistolen.
    Hinter ihm erkannte ich eine einförmig weiße Wand, in der Löcher klafften, die Ränder schön ausgefranst. Quer darüber zog sich eine unglaublich breite Blutspur. Bellings immer noch lächelndes Gesicht verdeckte ein Stück davon, doch auf seiner anderen Seite ging die Spur noch weiter und verschwand in der Unendlichkeit: Das klumpig-geronnene Rot verwandelte sich allmählich in dumpfes Rostbraun. Der Gestank, der uns plötzlich entgegenschlug, war entsetzlich: so furchtbar, so faulig, dass jeglicher Versuch, darin einzelne Komponenten des Schreckens zu erkennen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Ich musste würgen, und sofort verkrampfte sich meine Brust wieder, sodass ich überhaupt keine Luft mehr bekam. Ich sank in die Knie und kotzte Blut; in klebrigen Fäden hing es mir von den Lippen. Mir wurde allmählich schwarz vor Augen, ich sah nur noch einzelne rote Lichtpünktchen umhertanzen.
    Ich wollte gerade schon aus dem Aufzug heraustaumeln, doch Belling legte mir eine Hand auf die Brust.
    »Avery«, sagte er, und im Gegenlicht bot seine Silhouette einen entsetzlichen Anblick. »Das wird jetzt ziemlich hart werden. Jedenfalls für dich.«
    Ich versuchte, flach zu atmen. Die roten Flecken vor meinen Augen pulsierten mit meinem hektischen, zuckenden Herzschlag. »Wieso?«
    Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, wirkte Belling ernstlich unglücklich. »Weil ein paar alte Freunde auf dich warten.«

XXXV
    Tag zehn:
    als atme man den Tod selbst ein
     
     
    »Das musst du mir erklären«, fauchte ich, während ich Belling auf den Korridor hinausfolgte. Allmählich war ich es wirklich leid, die Wahrheit nur in Bröckchen serviert zu bekommen.
    »Es braucht eben seine Zeit, verstehst du?«, erklärte mein Gegenüber im Plauderton, als rede er über die Mechanik seiner Waffe oder die Preise für illegale Kredite in der Bowery. »Erst müssen sie sterben – wie lange das dauert, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Aber das hast du ja selbst schon gemerkt. Einige fallen fast sofort um, andere halten noch mehrere Tage durch, während allmählich ihr Brustkorb in sich zusammenfällt und sie immer weiter Blut husten. Wenn sie erst einmal tot sind, kommt dieses Marinieren. Sie sehen ganz und gar tot aus. Sie sind auch

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