Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
sich die Haltegurte in meine Schultern, und das letzte bisschen Blut, das mir noch verblieben war, stieg mir schlagartig zu Kopf.
    »Festhalten!«, hörte ich Happlings blecherne Stimme. »Das wird jetzt richtig unschön!«
    Den Kopf zur Seite zu drehen fiel mir nicht gerade leicht. Die Bewegung schien dieser unsichtbaren Hand alles andere als zu gefallen, und so presste sie mich zurück, unbarmherzig, hart, erstickend. Langsam, aber unaufhaltsam wurde Hense wieder aus dem Sitz gezerrt; sie war einfach zu klein für diese Haltegurte. Langsam, ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter, gelang es mir, den Arm nach ihr auszustrecken und sie am Revers zu packen. Ich grub meine knochigen Finger in den Stoff und versuchte, den Colonel wieder zu mir hinunterzuzerren.
    Der Lärm an Bord wurde schlimmer und schlimmer; es war völlig unmöglich, einzelne Geräuschquellen zu erkennen. Es war, als würde Gott das ganze Universum in Stücke reißen. Mein Magen vollführte einen Salto nach dem anderen, und erst jetzt begriff ich, dass unser Schweber sich gerade sehr, sehr rasch um die eigene Achse drehte, sodass die Schwerkraft immer wieder vom Boden zur Decke sprang und sofort wieder zurück. Etwas Schweres, Massives traf mich am Kopf, doch ich spürte es kaum. Der neuerliche Schmerz vermischte sich einfach mit all meinem anderen Leid.
    Dann wurde es auf einmal sehr leise. Nichts regte sich mehr. Das Zittern der Kabine hörte auf, Hense und ich fielen wieder in unsere Sitze zurück, und abgesehen von einem blechernen Kreischen herrschte himmlische Ruhe. Ich kniff die Augen zusammen, starrte Hense an, und der Gesichtsausdruck des Colonel verriet fast schon so etwas wie Überraschung.
    Jetzt begriff ich, dass dieses Kreischen von Happling stammte und aus dem Cockpit kam. Eine Sekunde oder zwei schrie er nur, dann krachten wir auf die Erde.
    Es war allgemein bekannt, dass der SSD nur noch über eine einzige Anlage verfügte, in der Schweber gebaut wurden. Diese Anlage arbeitete vollautomatisch und stammte aus der Zeit kurz nach der Vereinigung. Sie lag irgendwo in einem Drecksnest in Indiana oder so, mitten im Nirgendwo. Im Umkreis mehrerer Hundert Meilen gab es keine einzige Stadt. Droiden bastelten die Schweber aus Rohstoffen zusammen, und die Schweber waren absolut perfekt – es gab keine einzige Naht, keinen losen Bolzen. Die Dinger waren ab dem Lieferdatum sofort zu hundert Prozent einsatzbereit und darauf ausgelegt, bis in alle Ewigkeit zu funktionieren. Das war auch gut so. Denn der SSD hatte seit ungefähr zwanzig Jahren alle Reparaturen, die an der Anlage notwendig wurden, mit nichts anderem als der sprichwörtlichen heißen Nadel gemacht. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war man außerstande, oder gegebenenfalls auch nicht gewillt, eine neue Anlage zu bauen. Und ja, diese Scheiß-Droiden nahmen den Menschen wirklich die Jobs weg. Sie erledigten alles, was getan werden musste. Trotzdem musste man ihnen zugestehen, dass sie wirklich äußerst hochwertige Schweber zusammenbastelten.
    Wir mussten mit einem Tempo von dreihundert oder vierhundert Meilen in der Stunde auf dem Boden aufgeprallt sein. Der Schock des Aufpralls durchzuckte mich immer noch, schob meine Eingeweide in gänzlich neue, ungewohnte Richtungen und zerzauste mir die Frisur. Und dann prallten wir wieder vom Boden ab. Ungefähr fünf Sekunden lang herrschte völlige Stille, dann schlugen wir erneut auf. Wieder erzitterte alles, und nun kam noch ein neues ohrenbetäubendes Geräusch hinzu: Es klang, als hätten wir uns im Schlund irgendeines Riesen verklemmt, der jetzt versuchte, sich zu räuspern, um uns loszuwerden – ein fast schon schleimig-feuchtes Gebrüll. Es fing gleichzeitig mit diesem elenden Gezitter an, das einem fast das Hirn platzen ließ. Doch der gottverdammte Schweber hielt die ganze Scheiße aus. Wir stürzten ab und stürzten ab, viel länger, als ich es jemals für möglich gehalten hätte, länger als ich es ertragen konnte, bis mir bewusst wurde, dass ich selbst schrie. Ich warf einfach nur meine Stimme von mir, damit sie in diesem Mahlstrom verschwinden konnte, so als hätte ich keinen Ton von mir gegeben.
    Langsam beruhigte sich alles wieder. Der Lärm war jetzt nur noch unerträglich laut; das Zittern wurde zu nichts anderem als einer kleinen Turbulenz; mein eigenes Schreien wurde hörbar. Also hörte ich sofort damit auf; meine Kehle brannte. Ich spürte den Impuls des Fliegers, der jetzt wieder eine kohärent fühlbare Kraft

Weitere Kostenlose Bücher