Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
gehandhabt.
»He!« Ich bewegte mich ein wenig nach vorn und stieß Happlings Knie leicht mit meinem an. »Reißen Sie sich zusammen! Wir müssen diesen Schweber hier in unsere Gewalt bringen.« Ich hatte keine Ahnung, wie wir das schaffen sollten, aber genau zu wissen, dass man definitiv tot war, wenn man nicht bald etwas unternahm, motivierte einen doch wirklich immens.
Finster und mit immer noch gesenktem Kopf blickte er mich durch seine Augenbrauen hindurch an. »Wenn Sie mich noch ein einziges Mal auch nur berühren, dann …«
»Sie dürfen mich später umbringen«, sagte ich. »Genau, bringen Sie mich doch lieber hinterher um!« Aus dem Augenwinkel blickte ich zu Hense hinüber. »Ich denke, unsere Techies spielen hier ›Blinder Passagier‹.«
Ihr Kopf zuckte eine Winzigkeit zur Seite, ein wenig zu mir herüber. »Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Aber ich denke es mir. Ty Kieth ist unser Schlüssel zum Überleben. Ich vermute, er versteckt sich hier irgendwo an Bord dieses Schwebers. Und jetzt müssen Sie endlich wieder das Gehirn einschalten, Officers, und mir dabei helfen, sich irgendetwas zu überlegen, was wir trotz unserer eingeschränkten Möglichkeiten unternehmen können.«
Ich rechnete nicht damit, dass Hense mir antworten würde. Irgendwie ging ich davon aus, dass ihr der Kampf gegen das System nun doch zu viel geworden war. Doch dann nickte sie knapp. »Also gut, Avery«, sagte sie. Nach einem Moment des Schweigens setzte sie hinzu: »Sie geben niemals auf, was?«
Ich hob die Augenbrauen, sah vor meinem geistigen Auge wieder Glee und dachte daran, wie gern ich doch einfach aufgeben würde. Einen Augenblick lang gab es nur Hense und mich, und ich wusste, dass sie zumindest ein wenig begriffen hatte, wie ich tickte. Denn sie selbst tickte ganz genauso: Wir beide kannten immer nur einen einzigen Weg, um etwas zu erreichen. Sie blickte sich in der Kabine um, schaute der Reihe nach sämtliche Sturmtruppen an. Sie alle erwiderten den Blick mit ausdrucksloser Miene. Schließlich hatte Hense sich für einen von den Sturmtruppen entschieden, einen rundgesichtigen Veteranen, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. Das ein wenig schüttere Haar trug er kurz geschoren, sein blasses Gesicht war schweißnass. Von seiner Unterlippe hing eine Zigarette ohne Filter herab, ein ganz billiges Schrott-Ding; vergessen glomm sie vor sich hin.
»Sie!«, sagte Hense, und plötzlich hatte sie wieder diese scharfe, klare, deutliche Colonel-Stimme, die sie bis zur Perfektion trainiert haben musste. »Sie kenne ich.«
Der Sturmtruppler blickte auf den Boden und nahm die Fluppe aus dem Mund. Es dauerte ein wenig, doch dann nickte er. »Jawohl, Sir. Vor etwa einem Jahr habe ich zu Ihrem Team in der Bronx gehört. Damals haben wir die Kabeer-Gang auf der Bowlingbahn fertiggemacht.«
Hense nickte. »Sie heißen Kiplinger, stimmt’s?«
Jetzt wirkte der Sturmtruppler nicht mehr bedrohlich. Er schien peinlich berührt. »Jawohl, Sir.«
»Red nicht mit ihr, verdammt!«, fauchte ein rundgesichtiges Mädchen. Ihre Wangen waren rot, sie wirkte sehr gesund, ein ziemlich molliges Mädchen, das sich in ihrer Haut sichtlich wohl fühlte. Sie sprach auffallend gedehnt, als genieße sie es, jedes Wort einzeln zu schmecken. »Und einen gefeuerten Ex-Officer nennt man auch nicht ›Sir‹, kapiert?«
Hense wartete einige Herzschläge lang ab, ihren schrecklichen Blick immer noch auf diesen Kiplinger gerichtet; das Mädchen ignorierte sie einfach. »Sie wissen, dass das Schwachsinn ist, Trooper. Sie wissen doch ganz genau, dass die Spooks Sie hier manipulieren. Wir gehören zum SSD. Wir sind Cops. Und Sie wollen sich auf die Seite der Spooks schlagen?«
Kiplinger betrachtete seine Zigarette so konzentriert, als könne er darin alle Geheimnisse des Universums erkennen. »Wir wurden für diesen Einsatz abkommandiert, auf direkten Befehl von …«
»Scheiß auf irgendeinen ›direkten Befehl‹!«, fiel ihm Hense ins Wort, deutlich lauter. Sämtliche Sturmtruppen starrten sie jetzt an. »Das ist doch Schwachsinn! Wir gehören zum SSD. Dieser Freak dahinten, das ist kein Cop. Finden Sie nicht auch, dass diese Scheiße hier zum Himmel stinkt?«
»Sie können mich mal!«, sagte das Mädchen mit dem runden Gesicht; nach jedem Wort machte sie eine Pause. Dabei blickte sie Hense geradewegs in die Augen – das erforderte wirklich Eier in der Hose, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Sie blies sich eine
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