Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
zu.
»Herzlichen Glückwunsch, Nathan«, sagte ich. »Jetzt sind Sie alle Kriminelle.«
XXIV
Tag neun:
wir können das hier ganz sanft
erledigen oder auf die harte Tour
Ich schaute zu, wie die Sturmtruppen vor der Luke zum Cockpit in Position gingen. In den Händen hielten sie Shredder-Gewehre; die Haltegurte hatten sie sich fest um die Handgelenke geschlungen. Sonderbare, drückende Stille lag in der Luft. Die fünfundzwanzig Männer und Frauen arbeiteten fast geräuschlos. Keiner von ihnen hatte die Gesichtsmaske angelegt. Daher schien es, als würden ihre Köpfe mitten in der Luft schweben, wann immer sie sich für kurze Zeit einmal nicht bewegten. Sie alle waren schmutzig und verschwitzt, ihr Haar strähnig. Sie wirkten angestrengt und ungepflegt. Zwei von ihnen knieten vor der Luke und pressten den Standard-Plastiksprengstoff zwischen die Scharniere, während die anderen sich darauf vorbereiteten, das Cockpit zu stürmen. Wer nicht unmittelbar vor der Luke zugange war, unterhielt sich leise. Zwei, die in meiner Nähe standen, brachen plötzlich in gänzlich unpassendes, schallendes Gelächter aus – was ihnen einen finsteren Blick von Happling einbrachte. Sofort wurden sie wieder ernst. Doch ich wusste jetzt, dass auch System-Bullen zumindest hin und wieder lachten.
Hense und Happling hatten das Kommando übernommen, als sei nicht das Geringste vorgefallen. Es war erstaunlich, wie sich die Anwesenheit einiger Sturmtruppen auf das Selbstbild eines SSD-Officers auswirkte, und zu was die entsetzliche Angst vor dem Tod einige Leute anspornen konnte. Bislang hatten wir noch keinerlei Hinweis darauf, dass Bendix etwas von der bevorstehenden Meuterei mitbekommen hatte – schließlich war er Telekinetiker, kein gottverdammter ›Pusher‹. Er konnte einen zwar mit purer Gedankenkraft durch die Gegend schleudern wie eine Puppe, aber er war nicht in der Lage, einem im Gehirn herumzustochern. Er konnte nicht herausfinden, was jemand dachte – und er konnte auch niemanden dazu bringen, irgendetwas zu tun, was der Betreffende sonst niemals tun würde.
Ich hielt inne. Ein Gedanke nagte an mir. Ich musste an das letzte Mal denken, als ich mit einem Telekinetiker zu tun gehabt hatte – mit diesem Shockley. Ich versuchte, das dumpfe Gefühl, etwas übersehen zu haben, zu ergründen. Aber ich vermochte es nicht richtig zu fassen, und so beließ ich es dabei.
»Standardformation zum Vorrücken«, fauchte Hense. »Captain, Sie sollten Mr Bendix ernst nehmen. Sie werden Ihn nicht terminieren. Setzen Sie Ihn außer Gefecht! Schlagen Sie Ihn k.o., und dann achten Sie darauf, dass es auch weiterhin so bleibt!«
Happling schwitzte wieder und umklammerte mit beiden Händen seinen neuen Shredder, während er sich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen in der Kabine umschaute. Auf diese Anweisung hin nickte er knapp. »Außer Gefecht setzen. K.o. schlagen.« Er gab dem nächststehenden von den Sturmtruppen einer Klaps auf den Rücken. »Seid ihr bereit, Kinder? Jetzt wollen wir diesem Scheiß-Politiker doch mal zeigen, was der System-Sicherheitsdienst so draufhat!«
Das sagte er mit einem Enthusiasmus, der für mich hart an Wahnsinn grenzte, doch ich hielt den Mund. Auffälligerweise hatte man mir keine Waffe gegeben. Man achtete nicht sonderlieh auf mich. Aber nach unserem kurzen Gefecht in der Kirche schien Hense einen Sinneswandel durchlaufen zu haben, was die Einschätzung betraf, welche Gefahr ich tatsächlich darstellte. Als der Colonel die Organisation des bevorstehenden Einsatzes abgeschlossen hatte und sich mir näherte, fuhr ich mit der Zunge über die schmerzend-blutigen neuen Zahnlücken und sorgte dafür, dass meine Miene gänzlich neutral blieb.
»Also gut, Gates«, sagte sie, blieb vor mir stehen, die winzigen Hände in die Hüften gestemmt. Wieder einmal wirkte sie frisch und munter. »Was kommt jetzt?«
Mir entging nicht, dass sie fest davon überzeugt war, ihr neuer Trupp würde in der Lage sein, Bendix unter Kontrolle zu bringen. Dazu sagte ich nichts; ich hatte zusammen mit einem Regierungs-Telekinetiker in einem abstürzenden Schweber gesessen und war mir alles andere als sicher, wie es nun weitergehen würde. Und ich war mir auch überhaupt nicht mehr sicher, dass sich meine Vermutung, Ty Kieth befinde sich wirklich hier an Bord und hätte sich bereits in sämtliche Gerätschaften eingehackt, tatsächlich als richtig herausstellen würde. Es erschien mir zwar durchaus sinnvoll, aber ich
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