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Sommer

Sommer

Titel: Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Brennpunkt in mir zur Strahlung einzustellen, darum ist es so arg schade, daß damals aus Ihrer Reise nichts geworden ist; was ich zu einem Briefe zusammentrage, ist so spreuig und welk, daß ich, wo ich mich zu einem überwinde, eher Trennung stifte als Mittheilung: denn wie sollen auch die nächsten Freunde mich in dieser Zeilen-Mühsal und Unbeholfenheit erkennen?
    Taxis II (6. 9. 1918), 557f.
    E s ist un-erträglich, Fürstin, daß man sich nun wieder so lange nicht sehen soll. J'ai une proposition , ernstlich. Machen Sie im Frühling eine zweite kleine Tournée , wieder nach Darmstadt, wo sich ja immer weiter das Interessanteste begeben wird, nichtwahr?, und kommen Sie von dort (– es ist ja ganz nahe bei Basel) ins Schweizerische, mich auf Berg besuchen! Bis dahin bleib ich eingeschlossen und verpuppt, aber dann wird mir sicher »auskriechlich« und »schmetterlinglich«, und Sie kämen gerade zurecht, mich frischen etwas taumeligen »Sommervogel« (wie es schweizerisch heißt) ausbrechen zu sehen und wären der erste Zuschauer meines unerhörten Flügelschmelzes!
    Taxis II (15. 12. 1920), 630f.
    I ch kann nicht schreiben; der Sommer nimmt sich hier, auch äußerlich, so unstät und übelwollend aus, ich weiß mich kaum zu erinnern, daß er jemals so war. Die Sonne ist selten und heftig, meistens bereitet sich irgend ein umständlicher Regen vor. Sie haben es besser, hoffe ich, oder Sie merken nicht so viel davon in Ihrer starken Theilnehmung an Vielem, in Ihrer ununterbrochenen und entschlossenen Aktivität, die ich immer mehr bewundern werde.
    Taxis I (27. 7. 1910), 22
    J a, wenn ich mir eines Tages das Recht gäbe, über dieses tägliche Stehpult hinauszudenken, an einen »stillen grünen Fleck«, so würde es auf alle Fälle Laren sein; aber es ist nicht wahrscheinlich, gar nicht. Ich muß meine kleinen Wurzeln hier pflegen und stillstehn. Ich fange erst an, zu etwas gut zu sein, wenn ich in der Arbeit stecke wie der Kern in der Frucht. Anders kann ich das Sauere um mich herum nicht in die Süßigkeit verwandeln, die der liebe Gott (äußersts langmüthig) von mir erwartet.
    Allerdings bin ich gespannt, wie das hier werden soll. Sie würden erstaunt sein, zu sehen, wie sich, seit Sie fort sind, schon alles verwandelt hat. Die Kastanien sind (obwohl immer noch kühle Tage die Oberhand haben) fast abgebrannt; man geht mit Geräusch in ihren Blättern, deren Geruch, zusammen mit dem Duft der Sommerblumen, etwas wie das Arom echter chinesischer Tusche bildet, das man überrascht und neugierig einathmet. Die Rosen scheinen schon ihre Zeit gehabt zu haben, und selbst die Blumenmärkte sehen eher aus wie Ansammlungen Abgebrannter, die ihr zufällig gerettetes für einen Augenblick neben sich hingestellt haben.
    Das berühmte Stehpult aber hat sich nicht verändert, von welchem aus Sie oft grüßt
    Ihr immer gleich ergebener
    R. M. Rilke.
    Vollmoeller (3. 8. 1907), 17f.
    A ber, Schwester, da bin ich eingeschlossen siehst Du, hinter meiner Thür, und handle nicht. Wie oft hab ich in der Natur so einem kleinen Käfer zugesehen, der etwas vorhat, und es misslingt, und er thuts immer wieder, – siehst du, hab ich mir vorgesagt, der ist auch allein. Wie leicht könnte Gott ihm helfen, diesen Halm zu besteigen, es ist auch gar nicht so, dass Gott nicht will, – aber er weiß, der Käfer würde erschrecken, wenn er ihm hülfe, der Käfer würde vielleicht alles aufgeben und denken, mir ist so merkwürdig zumuth, gerade, als ob alles verwandelt sei, als ob ich gar kein Käfer mehr wäre –. So hütet sich Gott und hält sich weit weg von dem kleinen Thier, aber ich habe die Vermuthung, das kleine Thier, sooft es seinen Aufstieg wieder antritt, weiß nichts mehr von der letzten Enttäuschung und Niederlage, hat alles vergessen, steht wieder vor einer ganz neuen Sache, ordentlich neugierig, was das diesmal wird und in der heitersten Unternehmung. Früher, wenn ich mich nicht irre, war mir so jeden Morgen oder doch dann und wann, dass jeder Beginn wie der erste war, wie der einzige, und jetzt, seit lange, ist's das Gegentheil. Auf dem Geringsten und Größesten, das ich vornehme, auch auf dem, was mir ganz und gar lieb und herzlich ist, (und vielleicht auf dem am Meisten) lastet im Voraus so unbeschreiblich viel Erfahrung und Verdacht des Nicht-Könnens, – früh, wenn ich meine Arbeit vor mich hinlege, ja oft nur ein leeres Briefblatt, schon ist mirs ganz überfluthet
von dem Vorgefühl: du wirsts nicht können, und

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