Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
bei uns.“
    „Ja, sicher“, aber er beachtete sie kaum. „Kommt in die Küche, da ist es am wärmsten. Mutter, die Lingards sind da. Alice möchte einen Tee. Und Tom möchte einen Whisky, und...“ Er sah Virginia an. „Was möchtest du?“
    „Tee, bitte.“
    Alice und Mrs. Philips machten sich gleich in der Küche zu schaffen, Mrs. Philips mit Teekanne und Wasserkessel, Alice mit Tassen und Untertassen, die sie von der bemalten Anrichte nahm. Dabei plauderten sie über die Party der Barnets und lachten über das Mädchen, das die Kuh für einen Stier gehalten hatte. Die zwei Männer setzten sich mit Gläsern, einem Siphon und einer Flasche Scotch an den gescheuerten Küchentisch.
    Virginia setzte sich auch, sie quetschte sich auf den Fenstersitz am Kopfende des Tisches und lauschte, ohne richtig hinzuhören, auf das angenehme Stimmengemurmel. Sie war sehr müde, benommen von der Wärme und Behaglichkeit der Küche nach der bitteren Kälte draußen, und leicht benebelt von dem ungewohnten Bier.
    In die Falten ihres Mantels versunken, die Hände tief in den Taschen, sah sie sich um und fand, daß sie nie in einem so einladenden, behaglichen Raum gewesen war. Die Decke hatte Balken mit alten Eisenhaken zum Schinkenräuchern, und die tiefen Fensterbänke waren voll blühender Geranien. Auf einem riesigen Herd summte der Kessel, auf einem Korbstuhl hatte sich eine Katze zusammengerollt; an der Wand entdeckte sie einen Landwirtschaftskalender; die Vorhänge waren aus karierter Baumwolle, und es roch warm nach frischgebackenem Brot.
    Mrs. Philips war so klein wie ihr Sohn groß war, grauhaarig, sehr adrett. Sie sah aus, als hätte sie seit dem Tag ihrer Geburt nie aufgehört zu arbeiten und wolle es auch gar nicht anders haben, und als sie und Alice geschickt und flink in der Küche hantierten und leise über die unkonventionellen Barnets plauderten, beobachtete Virginia sie und wünschte, sie könnte genau so eine Mutter haben. Ruhig und gutgelaunt mit einer großen gemütlichen Küche, und immer einen Kessel mit kochendem Wasser bereit für eine Tasse Tee.
    Als der Tee fertig war, setzten sich die Frauen zu den anderen an den Tisch. Mrs. Philips schenkte für Virginia eine Tasse ein und reichte sie ihr, und Virginia setzte sich aufrecht, zog die Hände aus den Taschen, nahm die Tasse und vergaß auch nicht, danke zu sagen.
    Mrs. Philips lachte. „Du bist müde“, sagte sie.
    „Ja“, sagte Virginia. Alle sahen sie an, aber sie rührte ihren Tee um und mochte nicht aufsehen, weil sie diesem blauen, verwirrenden Blick nicht begegnen wollte.
    Aber schließlich war es Zeit zu gehen. Wieder in ihren Mänteln, standen sie gedrängt in der kleinen Diele. Die Lingards und Mrs. Philips waren schon an der offenen Haustür, als Eustace hinter Virginia sprach.
    „Auf Wiedersehen“, sagte er.
    „Oh.“ Sie drehte sich verwirrt um. „Auf Wiedersehen.“ Sie streckte ihre Hand aus, aber vielleicht sah er sie nicht, denn er nahm sie nicht. „Danke, daß ich kommen durfte.“
    Er machte ein amüsiertes Gesicht. „Es war mir ein Vergnügen. Du mußt ein andermal wiederkommen.“
    Und auf dem ganzen Heimweg hütete sie diese Worte wie ein wunderbares Geschenk von ihm. Doch sie kam nie nach Penfolda zurück.
    Bis heute, zehn Jahre später, an einem ausnehmend schönen Julinachmittag. Die Gräben am Straßenrand strotzten von Kuckucksblumen und leuchtendgelbem Huflattich, der Stechginster war flammend rot, und das Farnkraut auf den Klippen hob sich smaragdgrün von der hyazinthenfarbenen Sommersee ab.
    Virginia war so in ihre heutigen Besorgungen vertieft gewesen, Schlüssel holen, das Cottage in Bosithik suchen, praktische Fragen wie Kochherde, Kühlschränke, Bettwäsche und Geschirr bedenken, daß der ganze herrliche Vormittag nahezu unbemerkt vergangen war. Doch jetzt war er Teil von etwas, das vor langer Zeit geschehen war und woran Virginia sich nun erinnerte: Wie das Leuchtfeuer über die dunkle See blitzte und wie sie ohne ersichtlichen Grund plötzlich von einer wunderbaren Vorfreude erwärmt gewesen war.
    Aber du bist nicht mehr siebzehn. Du bist eine Frau von siebenundzwanzig, unabhängig, mit zwei Kindern, einem Auto und einem Haus in Schottland. Das Leben hält keine derartigen Überraschungen mehr bereit. Alles ist anders. Nichts bleibt immer gleich.
    An der höchsten Stelle des Feldweges, der nach Penfolda führte, war ein Holzgestell für die Milchkannen. Der Weg wand sich steil zwischen hohen Mauern. Von

Weitere Kostenlose Bücher