Sommer am Meer
Winterwinden deformierte Weißdornsträucher lehnten daran, und als Virginia dem Heck von Eustace' Landrover um die Hausecke folgte, erschienen zwei schwarzweiße Collies, die mit ihrem Gebell einen solchen Radau veranstalteten, daß die braunen Leghornhühner zu gackern anfingen und schleunigst einen Unterschlupf suchten.
Eustace hatte seinen Landrover im Schatten der Scheune geparkt und war schon ausgestiegen. Sachte schob er die Hunde mit dem Fuß aus dem Weg. Virginia stellte ihren Wagen hinter seinem ab und stieg aus. Sogleich rasten die Collies zu ihr hin; bellend und tollend versuchten sie, die Vorderpfoten auf ihre Knie zu legen, und sie reckten sich, um ihr das Gesicht zu lecken.
„Runter... runter mit euch, ihr Teufel!“
„Es macht mir nichts...“ Sie streichelte ihre schmalen Köpfe, ihr dickes Fell. „Wie heißen sie?“
„Beaker und Ben. Das ist Beaker, und das ist Ben... Schluß jetzt, Burschen! Das machen sie immer...“
Er gab sich rauh und herzlich, als sei er während der kurzen Fahrt zu dem Schluß gekommen, daß dies das richtige Verhalten sei, wenn der Rest des Tages nicht zu einer Art Totengedenken für Anthony Keile werden sollte. Und Virginia ging dankbar darauf ein. Die lärmende Begrüßung der Hunde half das Eis brechen, und so gingen sie ganz natürlich und zwanglos auf dem kopfsteingepflasterten Weg ins Haus.
Sie sah die Balken, den Steinfußboden, die Teppiche. Unverändert.
„Ich kann mich an alles erinnern.“
Der Duft nach heißer Pastete ließ einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Eustace ging vor Virginia durch die Küchentür ins Haus und zum Herd hinüber, schnappte im Vorbeigehen einen Topflappen von einem Handtuchhalter, hockte sich vor den Backofen und machte die Klappe auf.
„Sie sind nicht verbrannt, nein?“ fragte sie besorgt. Wohlduftender Rauch entwich dem Ofen.
„Nein, genau richtig.“
Er schloß die Ofentür und stand auf.
Sie sagte: „Hast du die gemacht?“
„Ich? Du machst Witze.“
„Wer denn?“
„Mrs. Thomas, meine Haushälterin... möchtest du was trinken?“ Er ging an den Kühlschrank und nahm eine Dose Bier aus der Innenseite der Tür.
„Nein danke.“
Er lächelte. „Cola hab ich nicht da.“
„Ich möchte nichts trinken.“
Während sie redeten, sah Virginia sich um, ängstlich, daß etwas in diesem herrlichen Raum verändert sein, daß Eustace die Möbel umgestellt, die Wände gestrichen haben könnte.
Aber alles war genau, wie sie es in Erinnerung hatte. Der in die Fensternische gezogene gescheuerte Tisch, die Geranien auf den Fensterbänken, die Anrichte mit buntem Geschirr. Nach all den Jahren bildete der Raum nach wie vor den Inbegriff dessen, was eine Küche sein sollte: der Mittelpunkt des Hauses.
Als sie Kirkton übernommen hatten und es vom Keller bis zum Speicher renovierten, hatte sie genau so eine Küche haben wollen wie die in Penfolda. Einen behaglichen, warmen Raum, wo die Familie sich um den gescheuerten Tisch versammelte, um Tee zu trinken und zu schwatzen.
„Wer will sich schon in einer Küche aufhalten?“ hatte Anthony ohne jedes Verständnis gefragt.
„Alle. Eine Bauernküche ist wie ein Wohnzimmer.“
„Ich werde bestimmt nicht in der Küche wohnen, das kann ich dir sagen.“
Und er bestellte Einbauten aus rostfreiem Stahl und Arbeitsflächen aus leuchtendem Kunststoff und einen schwarzweißen Fußboden in Schachbrettmuster, auf dem jeder Abdruck zu sehen und der höllisch schwer sauberzuhalten war.
Jetzt lehnte sich Virginia an den Tisch und sagte mit tiefer Befriedigung: „Ich hatte Angst, es hätte sich verändert, aber es ist alles noch genauso.“
„Warum sollte es sich verändert haben?“
„Ohne Grund. Ich hatte es nur befürchtet. Vieles ändert sich. Eustace, Alice hat mir erzählt, daß deine Mutter gestorben ist... das tut mir leid.“
„Ja, vor zwei Jahren. Sie ist gestürzt. Bekam dann Lungenentzündung.“ Er warf die leere Dose in den Abfalleimer und drehte sich Virginia zu, um sie anzusehen. „Und deine Mutter?“
Seine Stimme war ausdruckslos; Virginia konnte keinen sarkastischen oder mißbilligenden Unterton darin entdecken.
„Sie ist gestorben, Eustace. Sie wurde ein paar Jahre, nachdem Anthony und ich geheiratet hatten, sehr krank. Es war schrecklich, weil sie so lange krank war. Und es war schwierig, weil sie in London war und ich in Kirkton... ich konnte nicht die ganze Zeit bei ihr sein.“
„Ich nehme an, du warst die einzige Angehörige, die sie
Weitere Kostenlose Bücher