Sommer am Meer
Job?“
„Keinen richtigen. Kein Achtstundentag. Er hatte das Gut geerbt...“
„Kirkton ?“
„Ja, Kirkton... von einem Onkel. Ein riesengroßes Haus und etwa tausend Morgen Land, und nachdem wir das Haus in Ordnung gebracht hatten, beanspruchte das Gut seine meiste Zeit. Er hat Bäume gepflanzt und betrieb Landwirtschaft auf ziemlich herrschaftliche Art... ich meine, er hatte einen Verwalter, der im Bauernhaus wohnte, Mr. McGregor. Eigentlich hat er die meiste Arbeit getan, aber Anthony war dauernd beschäftigt. Das heißt“, schloß sie matt, „er war in der Lage, seine Tage auszufüllen.“
Während der Saison an fünf Tagen in der Woche schießen, angeln und Golf spielen. Nach Norden fahren zur Pirschjagd, jeden Winter für ein paar Monate nach St. Moritz. Es war sinnlos, einem Mann wie Eustace Philips von einem Mann wie Anthony Keile zu erzählen. Sie gehörten verschiedenen Welten an.
„Und was ist jetzt mit Kirkton?“
„Wie gesagt, der Verwalter kümmert sich darum.“
„Und das Haus?“
„Es steht leer. Das heißt, die Möbel sind alle da, aber es
wohnt niemand drin.“
„Wirst du in das leere Haus zurückkehren?“
„Ich denke ja. Irgendwann.“
„Und die Kinder?“
„Sie sind bei Anthonys Mutter in London.“
„Warum sind sie nicht bei dir?“ fragte Eustace. Es hörte sich nicht kritisch an, nur neugierig, als wollte er es einfach wissen.
„Es schien mir einfach eine gute Idee, allein herzukommen. Alice Lingard hatte mir geschrieben und mich eingeladen, und so bin ich gekommen.“
„Warum hast du die Kinder nicht mitgebracht?“
„Ach, ich weiß nicht...“ Sogar ihr selbst kam ihre Stimme gewollt beiläufig vor, nicht überzeugend. „Alice hat keine Kinder, und ihr Haus ist nicht für Kinder eingerichtet... ich meine, alles ist so kostbar und zerbrechlich. Du weißt, wie das ist.“
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, aber sprich weiter.“
„Außerdem hat Lady Keile sie gerne bei sich...“
„Lady Keile?“
„Anthonys Mutter. Und Nanny ist gerne in London, weil sie früher bei Lady Keile gearbeitet hat. Sie war schon Anthonys Kindermädchen.“
„Ich dachte, die Kinder sind schon recht groß?“
„Cara ist acht und Nicholas sechs.“
„Aber warum brauchen sie ein Kindermädchen? Warum kannst du dich nicht um sie kümmern?“
Virginia hatte sich diese Frage im Laufe der Zeit unzählige Male gestellt und keine Antwort darauf gefunden, und nun für Eustace aus heiterem Himmel eine Antwort formulieren zu müssen, rief einen unsinnigen Widerwillen in ihr hervor.
„Wie meinst du das?“
„Genau wie ich's sage.“
„Ich kümmere mich ja um sie. Ich meine, ich bin oft mit ihnen zusammen...
„Wenn sie erst kürzlich ihren Vater verloren haben, ist ihre Mutter bestimmt der einzige Mensch, den sie jetzt brauchen, nicht eine Großmutter und ein altes ererbtes Kindermädchen. Sie werden denken, alle hätten sie im Stich gelassen.“
„Sie werden nichts dergleichen denken.“
„Wenn du so sicher bist, warum regst du dich dann so auf?“
„Weil ich es nicht mag, daß du dich einmischst und deine Meinung über etwas zum besten gibst, wovon du nichts weißt.“
„Ich weiß einiges von dir.“
„Was weißt du?“
„Ich weiß, daß du dich schon immer gerne herumschubsen ließest.“
„Und wer schubst mich herum?“
„Das weiß ich nicht so genau.“ Sie stellte mit Erstaunen fest, daß er eiskalt und genauso wütend wurde wie sie. „Aber grob geschätzt würde ich sagen, deine Schwiegermutter. Vielleicht hat sie, als deine Mutter abtrat, ihre Stelle übernommen?“
„Wag es nicht, so von meiner Mutter zu sprechen.“
„Aber es ist wahr, oder?“
„Nein.“
„Dann hol deine Kinder hierher. Es ist unmenschlich, sie in den Sommerferien in London zu lassen, bei diesem Wetter, wenn sie an der See und auf den Feldern herumtollen sollten. Los, raff dich auf, ruf deine Schwiegermutter an und sag ihr, sie soll sie in den Zug setzen. Und wenn Alice Lingard sie im Haus Wheal nicht haben will, weil sie Angst hat, daß ihr Nippes kaputtgeht, dann bring sie in einem Gasthaus unter oder miete ein Cottage...“
„Genau das habe ich vor, das muß ich mir nicht erst von dir sagen lassen.“
„Dann machst du dich am besten gleich auf die Suche.“
„Hab ich schon getan.“
Er verstummte vorübergehend, und sie dachte: Das hat ihm den Wind aus den Segeln genommen.
Aber nur vorübergehend. „Hast du etwas gefunden?“
„Ich habe mir heute morgen
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