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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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vorzuziehen. Sie waren streng mit allen ihren Kindern, aber Obed fand oft Wege, die Regeln zu umgehen. Und Obed, der sich für ein wenig besser als die anderen hielt, nutzte ihre Zuneigung aus.
    Obed war schon seit früher Kindheit ein guter Freund von Sammy Claibornes Sohn Gus. Sogar als ihre Eltern aufgehört hatten, miteinander zu reden, trafen sich die Jungs häufig, um Eichhörnchen zu jagen oder hoch in die Berge zu gehen. Gus war so groß wie Obed, sah sogar noch besser aus, aber er war nicht so gut wie er in der Schule und war auch nicht so beliebt bei den anderen Jugendlichen von Fitch Crossing. Aber all das konnte die Freundschaft der beiden nicht erschüttern. Gus war ein Einzelkind, und Obed war wie ein Bruder für ihn.
    Bis Fate Henry auftauchte.
    Lafayette Henry – oder Fate, wie ihn hier jeder nannte – hatte beide Eltern durch Diphtherie verloren, als er noch ein sehr kleines Kind war. Die Schwester seines Vaters und ihr Mann lebten in Oklahoma und nahmen ihn zu sich. Aber als ihre winzige Farm von einem Sturm zerstört wurde, schickten sie Fate zurück nach Virginia. Er sollte bei den Claibornes unterkommen, und seine Tante und sein Onkel zogen weiter in den Westen, um dort nach Arbeit zu suchen.
    Da Fates Mutter die Schwester von Samuel Claiborne war, hatten die Claibornes keine Ausrede, es nicht zu tun, und nahmen den Jungen bei sich auf. Auf ihre eigene Weise versuchten sie, ihn willkommen zu heißen. Aber Gus machte Fate schnell klar, wie die Dinge wirklich standen.
    An einem besonders heißen Juninachmittag saß die zwölfjährige Helen draußen auf der Veranda und pulte Bohnen.
    „Bist du bald fertig, Lenny?“ Delilah kam auf die Veranda mit einem Korb voller frischer Wäsche, den sie auf ihrerHüfte abstützte. „Ich werde einige einlegen, bevor ich mit dem Abendbrot anfange. Sie schmecken im nächsten Frühjahr bestimmt gut, meinst du nicht auch?“
    Helen war betäubt von der Hitze, und sie schmollte. Die Jungs waren schon vor einer Stunde mit ihren Aufgaben fertig gewesen und alleine losgezogen. Sie wusste zwar nicht, wohin sie gegangen waren, aber sie war sich sicher, dass alles besser war, als hier zu sitzen und Bohnen zu säubern. „Warum hast du nur so viele Bohnen gepflanzt?“ Sie griff mit beiden Händen in die Schüssel und ließ die Bohnen durch ihre Finger herabrieseln. „Wenn es Zeit ist, die Kuh in den Stall zu bringen und die Hühner zu füttern, werde ich damit immer noch nicht fertig sein.“
    „Heute haben wir viel zu tun.“
    „Außer Obed und Tom.“
    „Die Jungen sind noch vor dir aufgestanden und haben auch den ganzen Tag gearbeitet. Sie wollen ein bisschen losziehen, ich sehe keinen Grund, warum ich sie nicht lassen sollte.“
    Helen sah sehr viele Gründe, aber sie war zu klug, um sie jetzt gerade aufzuzählen. Sie verstand, dass ihre Mutter ihr beibrachte, wie es war, eine Farmersfrau zu sein, so wie sie selbst. Und es war Cuddys Aufgabe, es seine Söhne zu lehren, was es hieß, eine Farm zu führen. Aber Cuddy war jetzt die meiste Zeit außer Haus. Delilah war einfach erschöpft von der ganzen Arbeit, die sie machen musste und dennoch nie fertig bekam, egal, wie sehr sie schuftete.
    „Du machst die Bohnen hier fertig, und ich bringe dann die Kuh für dich rein“, sagte Delilah, als sie das lange Gesicht ihrer Tochter sah. „Du kannst runter zum Bach gehen, wenn du fertig bist, und ein wenig darin herumspazieren. Auf dem Rückweg kannst du Brombeeren pflücken, morgen backe ich dann Kuchen damit.“
    Helen horchte auf. „Wirklich?“
    Die besten Beeren wuchsen oberhalb der Badestelle. Obwohl es schon fast vier Uhr nachmittags war, brannte die Sonne immer noch, als Helen dort ankam. Das Wasser war kühl, nicht kalt, aber das war egal. Sie spürte den seidigen Boden durch ihre Zehen dringen und ging ein Stück mit dem strömenden Wasser flussabwärts. Summend hüpfte sie von Stein zu Stein und sprang über einen Baumstamm, der ihr den Weg versperrte. Gerade als sie umkehren wollte, um noch einige Beeren zu pflücken, hörte sie ein Geräusch.
    „Psst.“
    Helen hielt inne und lauschte. In den Wäldern, die den Bach säumten, gab es viele Vögel, und kleine Tiere huschten durch das Unterholz. Aber das Geräusch kam nicht von dort. Es war eindringlicher.
    „Psst. Hier drüben …“
    Überrascht drehte sie sich in die Richtung, aus der das Geräusch – die Stimme – zu kommen schien.
    „Wer ist da?“, rief sie.
    „Sieh nicht her.“
    Das ergab für

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