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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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als würde sich nichts mehr bewegen.“ Sie räusperte sich, als wollte sie noch mehr Tränen zurückhalten.
    „Er muss irgendwo da unten sein, so viel ist schon mal klar“, sagte Gus. „Wir können ihn doch einfach hier lassen, oder? Weiß doch eh niemand, wie er hierhergekommen ist.“
    „Was willst du damit sagen?“, fragte Helen. „Wie er hierhergekommen ist?“
    Obed war schon dabei, seinen Arbeitsanzug auszuziehen. „Lenny, du siehst zu, dass du wegkommst, nur erzähl Mama nichts. Wenn ich etwas finde, erzähl ich es ihr. Versprichst du mir das? Versprichst du mir, dass du ihr nichts davon erzählst?“
    „Aber ich muss es ihr erzählen“, antwortete Helen, „sonst ist sie mir böse, wenn ich es nicht mache.“
    „Bitte?“ Er hatte seinen Overall bis zur Taille ausgezogen und sein Unterhemd lag in einem Knäuel zu seinen Füßen.
    Sie nickte. Er lächelte säuerlich. „Jetzt weg mit dir.“
    Sie ging, als könne es ihr nicht schnell genug gehen, diesen Schauplatz zu verlassen. Einige Meter entfernt hielt sie hinter einem großen Hickorybaum an, der zwischen großen Büschen stand. Sie konnte hören, dass sich die Jungs unterhielten, aber sie konnte kein Wort von dem verstehen, was sie sagten. Dann hörte sie ein Plantschen.
    „He …“
    Sie drehte sich um und sah den fremden Jungen sie ansehen. Er stand hinter einem Geißenbusch.
    „Was machst du?“, fragte er.
    „Das wirst du doch gleich sehen.“ Helen kroch langsamden Weg zurück, den sie gekommen war. Obed und Gus waren so damit beschäftigt, den Toten im Wasser zu suchen, dass sie gar nicht bemerkten, was sich am Ufer abspielte. Als beide wieder abtauchten, schnappte sie sich ihre Kleider und lief durch die Büsche zurück, wo sie Fate hatte stehen lassen.
    „Hier.“ Sie ließ die Kleider vor dem Busch fallen. „Zieh an, was du willst, und wirf den Rest dort in die Büsche. Aber beeil dich lieber, hier wegzukommen, bevor sie merken, was los ist.“
    Er sah auf den Kleiderhaufen, dann sah er sie an. „Was machen sie, wenn sie rauskriegen, dass ihre Sachen weg sind? Was meinst du?“
    Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bleibe nicht hier stehen, um das mit anzusehen. Ich wünschte nur, dass die beiden splitternackt wie junge Schweinchen auf dem Kirchhof landen, wo sie jeder sieht.“
    Er legte den Kopf schief. Sie grinste; dann, bevor er nach einer Erklärung fragen konnte, nahm sie den Eimer mit Beeren und ihre Schuhe und machte sich auf den Weg nach Hause.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

10. KAPITEL
    A m frühen Donnerstagnachmittag nahm Helen, in Kittel und Turnschuhen, auf der Hollywoodschaukel Platz und griff nach einer Postwurfsendung vom Supermarkt, um sich damit Luft zuzufächeln. „Wenn es nicht bald anfängt zu regnen, bleibe ich einfach stehen, wie eine alte Uhr, die abgelaufen ist und wo auch kein Aufziehen mehr hilft.“
    Tessa wusste, dass es typisch für ihre Großmutter war, einen Nutzen aus dem Werbeblatt zu ziehen, nur damit sie es nicht wegzuwerfen brauchte. Tessa und Nancy hatten abgewartet, bis Helen sich umdrehte, damit sie auch den Rattantisch, der neben der Schaukel stand, auf den Müll werfen konnten. Heimlich hatten sie sich auch an die riesigen Haufen auf Helens Schreibtisch im Esszimmer gemacht, ebenso wie an ein halbes Dutzend Wäschekörbe, die daneben standen. Die Post, die sie dort entdeckt hatten, war immer die gleiche.
    „Im Wetterbericht haben sie Regen vorhergesagt.“ Tessa ließ sich auf einen Stuhl neben der Schaukel nieder. Seit dem Wochenende hatten sie und ihre Großmutter begonnen, die Nachmittagspause zusammen zu verbringen. Manchmal kam Nancy dazu, manchmal war sie damit beschäftigt, am Handy ihr Leben in Richmond zu organisieren oder kurze Ausflüge in die Stadt zu machen. Aber dieses Ritual am Nachmittag wurde Helen wichtig, das konnte Tessa spüren. Helen gehörte zu den Menschen, die ihr ganzes Leben lang andere wegstießen, aber an diesem Muster hielt sie nun anscheinend nicht länger fest.
    „Es kann gar nicht genug regnen.“ Helen hörte sich verdrießlich an. „Der Mais ist schon verdorben. Sogar die Bäume vertrocknen. Die Ahornbäume da drüben.“ Sie bewegteden Kopf in Richtung der beiden Ahornbäume, die vor dem Haus standen. „Zu viele Dürrejahre. Sie müssen bald gefällt werden, es sei denn, das Wetter ändert sich.“
    „Ich kann mir das Haus nicht ohne diese Bäume vorstellen.“
    „Das wird dich nicht interessieren, wenn ich

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