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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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beleuchteten Straße, die zu seinem Haus und dem alten Güterbahnhof führte.
    Er fuhr rasch und trat fest in die Pedale, weil er sicher war, daß ihn niemand in den dunklen Stellen zwischen den Laternenmasten erwischen konnte - es sei denn, sie würden einen Stock in die Speichen stecken, damit du durch die Lufl fliegst, und dich dann umzingeln -, daß ihn nichts pak-ken konnte. Er schüttelte beim Treten den Kopf, die schwüle Luft war eine Brise in seinem kurzen Haar, und versuchte die bösen Gedanken zu vertreiben. Der Teufel soll sie holen! Vor eins oder zwei kommt sie sowieso nicht nach Hause. Ich seh' mir wieder den Spätfilm an. Nein, verdammt. Das ist der Monsterfilm auf Kanal 19. Den kann ich mir nicht ansehen.
    Harlen beschloß, daß er das Radio richtig laut aufdrehen und sich vielleicht wieder an einer von Mas Flaschen im untersten Fach des Büffets vergreifen würde. Er hatte festgestellt, wenn er sie richtig vorsichtig abmaß und bis zum Füllrand mit Wasser auffüllte, merkte sie gar nichts. Sie würde es wahrscheinlich sowieso nicht merken, weil sie dauernd neue Flaschen reinstellte oder aus den alten soff, wenn sie beschwipst war. Er würde Radio hören, den Rock and Roll echt laut spielen und ein paar Drinks mit Cola trinken, wie er es am liebsten hatte.
    Er fuhr volle Pulle am Güterbahnhof vorbei - dort hatte es ihn immer gegruselt, schon als Kind - und schlitterte um die breite Kurve in die Depot Street. Er sah die drei langen Blocks an der Straße - in einer richtigen Stadt wären es mindestens sieben oder acht Blocks gewesen, wie er wußte, hier waren sie nur länger, weil sie nicht genügen Straßen hatten -, den ganzen Tunnel aus Ästen und Laubschatten und halb verborgenen Lichtern und Veranden hinunter bis dahin, wo die Stewarts und der olle Grummelbacher wohnten.
    Und die Schule war.
    Er schüttelte den Kopf, fuhr in die Einfahrt, rollte bis zur Garage aus und schob das Fahrrad unter das Dach.
    Ma war nicht daheim; das Auto war nicht da. Alle Lichter waren an, wie er sie hinterlassen hatte. Harlen wollte zur Hintertür gehen.
    Etwas bewegte sich vor dem Licht in seinem Zimmer oben.
    Harlen verharrte mit einer Hand auf den Türknauf. Ma war also daheim. Das verdammte Auto war wieder kaputt, oder ihr neuer Freund hatte sie gefahren, weil sie zuviel intus hatte. Herrgott, sie würde ihm die Hölle heiß machen, weil er bei Dunkelheit das Haus verlassen hatte. Er würde ihr sagen, daß Dale und seine kleine Laß-das-den-Papa-machen-Familie vorbeigekommen waren und ihn zur Gratisvorstellung mitgenommen hatten. Sie würde nie erfahren, daß die ausgefallen war.
    Der Schatten trat wieder vor das Licht.
    Verdammt, was hat sie in meinem Zimmer herumzuspionie-ren ? Voll Schuldgefühlen dachte er an die neuen Magazine, die er von Archie Kreck gekauft und unter den Bodendielen versteckt hatte. Sie hatte seine sämtlichen alten gefunden und weggeworfen, als er im Krankenhaus war, aber sie hatte erst zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Hause mit ihm herumgebrüllt.
    Harlen errötete und wurde kalt beim Gedanken an die Konfrontation - besonders wenn sie beschwipst war -ging drei Schritte zur Garage zurück und versuchte, sich etwas auszudenken. Vielleicht gehören sie Mona. Oder einem ihrer Freunde. Sie hat sie dort versteckt. Wenn sie es abstreitet, erzähle ich Ma von dem benutzten Kondom, das ich in der Toilette gefunden habe, als sie das letztemal zum Babysitten dagewesen ist.
    Er holte Luft. Es war nicht perfekt, aber besser als nichts. Er sah nach oben und versuchte zu erkennen, ob sie an seinem Schrank war.
    Es war nicht Ma.
    Die Frau in seinem Zimmer ging wieder an dem hell erleuchteten Rechteck des Fensters vorbei. Er sah flüchtig einen Pullover, der halb verfault aussah, einen buckligen Rücken und weiße Haarsträhnen, die auf einem zu kleinen Kopf leuchteten.
    Harlen wich blind von der Haustür zurück und stieß gegen sein Fahrrad. Es fiel um und knallte mit einem lauten Poltern gegen die Garagentür.
    Der Schatten verdunkelte das Licht wieder. Ein Gesicht drückte sich ans Fenster und sah zu ihm herunter.
    Das Gesicht... sah ihn an ... drehte sich um und sah ihn an.
    Harlen sank auf die Knie, erbrach sich auf den Kies der Einfahrt, wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab, sprang auf sein Rad und strampelte vom Haus weg, noch ehe der Schatten vom Fenster verschwand. Er drehte sich nicht um, als er die Depot Street entlangraste und wilde Kurven fuhr, als würde jemand auf ihn schießen,

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