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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nicht einmal mit Schlinge - die Harlen irgendwie romantisch fand, damit müßte er doch Michelle Staffney regelrecht aus ihren Spitzenunterhöschen hauen können, wenn er zu ihrer Geburtstagsparty am Vierzehnten eingeladen wurde -, der leichtere Gips konnte nicht einmal mit Schlinge soviel Mitgefühl bei seiner Mutter wecken. Vielleicht hatte sie auch alles Mitgefühl verbraucht, das sie erübrigen konnte. Manchmal war sie nett und unterhielt sich in dieser sanften, etwas verzeihungsheischenden Stimme mit ihm, die sie in den Wochen nach dem Unfall gehabt hatte, aber in letzter Zeit fauchte sie immer öfter böse oder hüllte sich in das Schweigen, das schon so lange zwischen ihnen herrschte.
    Zuerst bezahlte sie Mona Shepard, damit sie herüberkam und ihn im Auge behielt. Aber im Grunde genommen behielt Harlen Mona im Auge und versuchte ununterbrochen, einen Blick auf die Titten der Sechzehnjährigen zu erhaschen oder ihr unter den Rock zu sehen. Manchmal reizte Mona ihn ... zum Beispiel ließ sie beim Pinkeln die Klotür einen Spalt auf und zeterte dann los, wenn er auf Zehenspitzen hinschlich. Aber sonst beachtete sie ihn weitestgehend überhaupt nicht - ebensogut hätte auch Ma daheim sein können -, und ab und zu schickte sie ihn sogar früh ins Bett, damit sie einen ihrer schlappschwänzigen Freude anrufen und herbestellen konnte. Harlen haßte die Laute, die aus dem Wohnzimmer herauftönten; und er haßte noch mehr seine Reaktion darauf. Er fragte sich, ob O'Rourke recht hatte und man blind wurde, wenn man es zu oft machte. Wie auch immer, er hatte Mona gedroht, er würde seiner Ma alles über ihre ausgedehnten Stöhnorgien auf dem Wohnzimmersofa erzählen, daher blieb sie fort. Ma war stinksauer, weil Mona ständig etwas anderes vorhatte und sie diesen Sommer praktisch niemand anderen anrufen konnte - die Mädchen der O'Rour-kes hatten normalerweise den Babysitter gemacht, aber die waren diesen Sommer zu sehr damit beschäftigt, auf den Rücksitzen irgendwelcher Autos zu stöhnen.
    Daher war Harlen häufig allein zu Hause.
    Manchmal ging er weg und fuhr mit dem Fahrrad - obwohl der Arzt es ihm verboten hatte, bis der zweite Gips abgenommen wurde. Es war nicht schwer, einhändig zu fahren. Verdammt, er war oft genug freihändig gefahren, wie alle anderen Memmen der ehemaligen Fahrradpatrouille. Mit dem Gips war es nur ein bißchen komplizierter.
    Am Neunten war er zur Gratisvorstellung geradelt und hatte damit gerechnet, eine Wiederholung von Somebody Up There Li-kes Me zu sehen, einem Boxerfilm, den Mr. Ashley-Montague vor ein paar Jahren gezeigt hatte; er hatte allen so gut gefallen, daß er ihn jeden Sommer einmal wiederholte. Aber statt eines Films fand Harlen nur den leeren Pavillon und ein paar Bauerntölpel vor, die -wie er - nicht mitbekommen hatten, daß die Vorstellung zum drittenmal nacheinander wegen dem Scheißwetter abgesagt worden war.
    Aber es war kein Scheißwetter. Das beinahe allabendliche Gewitter war ausgeblieben, das Sonnenlicht fiel schräg und leuchtend über lange Gärten, wo man das Gras wachsen sehen konnte. Harlen haßte es, daß die Gärten hier so verdammt groß waren, fast Felder, aber ordentlich gemäht. Es gab fast keine Zäune, und es war schwer zu sehen, wo ein Garten in den nächsten überging. Er war nicht sicher, warum er sie haßte, aber er wußte, daß Gärten so nicht sein sollten; so sahen sie in den Fernsehserien, die er gerne sah, nicht aus... Naked City, zum Beispiel. In Naked City gab es überhaupt keine Gärten. Acht Millionen Stockwerke, aber keinen einzigen Garten.
    An jenem Abend war Harlen mit dem Rad in der Stadt herumgefahren, ohne mitzubekommen, daß es dunkel wurde, bis die Fledermäuse herauskamen und am Himmel kreischten. Er war der Schule aus Gewohnheit ferngeblieben - sie war ein Grund, warum er nicht öfter zu Stewart oder einem der anderen Knallköpfe ging -, aber er stellte fest, daß es ihn nervös machte, allein auf der Main oder Broad zu fahren, wenn es dunkel war.
    An der Church Street bog er nach links ab, damit er nicht an Mrs. Doubbets Haus vorbei mußte - wobei er nicht einmal sicher war, warum er das tat - und strampelte schneller durch die dunkleren Abschnitte, wo die Häuser kleiner und die Straßenlampem weniger wurden und weiter auseinander standen. O'Rourkes kleine Kirche und das Haus des Priesters daneben waren hell erleuchtet; Harlen verweilte für einen Moment an der Ecke, ehe er den West End Drive entlangfuhr, der unzureichend

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