Sommer der Nacht
hatte.
Mike zog sie weg. »Lawrence hat auch eine Wasserflasche. Nimm doch von ihm.«
»Gieriges Arschloch«, flüsterte Harlen und winkte Lawrence her. Dales Bruder schüttelte den Kopf, holte aber die Wasserflasche aus dem kleinen Pfadfinderrucksack, den er trug.
»Ich kann nichts sehen«, sagte Mike und gab Dale das Fernglas. »Aber wir müssen davon ausgehen, daß er daheim ist.«
Dale nahm Harlen die Wasserflasche ab. Nachdem er den Mund ausgespült und auf den staubigen Boden gespuckt hatte, spähte er wieder zwischen den Maisstauden hinaus. »Ich gehe.«
Mike schüttelte den Kopf. »Wir gehen alle.«
»Nein«, sagte Dale. »Daß ich herkomme, ist einleuchtend. Und wenn es Ärger gibt, müßt ihr hier sein und zu Hilfe kommen.«
»Ich werde dir helfen«, sagte Harlen und zog eine kleine Pistole aus der Schlinge.
»Herrgott«, zischte Dale. »Ist die echt?«
»Mann«, sagte Lawrence und kam näher.
»Ach du Scheiße«, sagte Kevin. »Halt das Ding bloß nicht in meine Richtung!«
»Nimm sie weg!« befahl Mike mit tonloser Stimme.
»Halt's Maul und leck mich am Arsch!« sagte Harlen. Aber er steckte die Pistole weg und sagte zu Dale: »Darauf kannst du Gift nehmen, daß die echt ist. Wir sollten alle so etwas haben. Die andere Seite macht Ernst. Ich glaube ...«
»Wir sprechen später darüber«, flüsterte Mike. Er gab Kevin das Fernglas zurück. »Geh, Dale. Wir stehen Schmiere.«
Es waren lange zwanzig Meter vom Feld bis zum Haus. Dale sah den Lieferwagen weder auf dem Parkplatz noch auf dem Ausschnitt des Hofes, den er überblicken konnte, aber er hatte, wähend er durch den Hof und die Einfahrt ging, die ganze Zeit das Gefühl, als würde er beobachtet werden.
Er klopfte an der Hintertür, wie jedesmal, wenn er Duane besuchen gekommen war. Er rechnete halb damit, Wittgenstein aus der Garage bellen zu hören und dann angetrottet kommen zu sehen, wobei er mit dem Schwanz wedeln würde, wenn er Dales Geruch aufnahm. Dann würde Duane aus dem Haus kommen, die Cordhose hochziehen und die Brille zurechtrücken.
Niemand antwortete. Die Tür war nicht verriegelt. Dale zögerte einen Moment lang, dann zog er das Fliegengitter auf und zuckte zusammen, als es quietschte.
In der Küche war es dunkel, aber nicht kühl; die Hitze staute sich in dem kleinen Raum. Ein Geruch von abgestandener Luft und erhitztem Abfall herrschte vor. Dale sah schmutziges Geschirr im Spülbecken, das sich bis auf die Arbeitsplatte ausbreitete. Der Tisch war übersät.
Dale ging so leise er konnte durch den Raum - er schlich auf den Spitzen seiner Turnschuhe. Das Haus machte einen stummen und verlassenen Eindruck, was Dale in dem Gefühl bestärkte, daß Duanes Vater nicht zu Hause war. Bevor er nach unten ging, wo Duane geschlafen hatte, blieb Dale stehen und warf einen Blick ins Eßzimmer.
Auf einem Stuhl bei der Werkbank, die einmal der Eßtisch gewesen war, saß eine dunkle Gestalt. Diese hielt etwas. Dale konnte den Lauf einer Schrotflinte erkennen, die in seine Richtung deutete.
Dale erstarrte auf Zehenspitzen, sein Herz setzte aus, schlug einmal pochend und setzte wieder aus.
»Was willst du, Junge?«
Es war die Stimme von Mr. McBride - langsam, nuschelnd, seltsam ohne Betonung, aber eindeutig seine Stimme.
»Tut mir leid«, brachte Dale hervor und spürte, wie sein Herz pochte und wieder aussetzte. »Ich habe gedacht, Sie wären nicht da. Ich meine, ich habe geklopft ...« Jetzt konnte er den Mann sehen, da sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Mr. Mc-Bride saß im Unterhemd und einer dunklen Drillichhose da. Seine Schultern hingen nach vorn, als würde eine große Last darauf ruhen. Auf dem Tisch und dem Boden standen überall Flaschen. Bei dem Gewehr handelte es sich um eine Pump-Schrotflinte, deren Lauf nicht ein einziges Mal zuckte.
»Was willst du, Junge?«
Dale dachte sich verschiedene Lügen aus, verwarf sie aber wieder. »Ich wollte nachsehen, ob Duane Notizbücher hinterlassen hat.«
»Warum?«
Dale verspürte einen großen Schmerz in der Brust, als sein Herz sich anstrengte, pochte und dann wie rasend schlug. Er wollte die Hände heben wie im Film, hatte aber Angst, überhaupt eine Bewegung zu machen. »Ich glaube, Duane besaß Informationen, die uns helfen könnten herauszufinden, wer... wer ihn getötet hat«, sagte er.
»Wer ist >uns« fragte der Schatten.
»Andere Jungs. Freunde von ihm«, brachte Dale heraus. Jetzt konnte er Mr. McBrides Gesicht sehen. Es sah schrecklich aus, noch
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