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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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stets freundlich und gesprächig und stets bereit, seine kleinen Funde zu teilen, die er bei der endlosen Suche nach >vergrabenen Schätzen< zutage gefördert hatte. Mink war eine Landplage für die Erwachsenen und bettelte ständig um eine milde Gabe, aber die Kinder behelligte er nie. Mink hatte keinen festen Wohnsitz - an heißen Sommertagen schlief er oft unter dem Pavillon im Park und schlich, wenn es abends kühler wurde, zu seinem >Freiluftbett< auf einer der Parkbänke. Mink hatte stets einen reservierten Sitz bei der Gratisvorstellung und war stets bereit, Kinder ins kühle Dunkel unter dem Pavillon kriechen zu lassen, wo sie den Film neben ihm durch das brüchige Gitter hindurch ansehen konnten.
    Im Winter war Mink nicht so präsent; manche sagten, er schliefe in der verlassenen Talgfabrik oder im Schuppen hinter der Traktorhandlung gegenüber vom Park, andere behaupteten, daß Familien mit einem weichen Herzen - wie die Staffneys oder Whitta-kers - ihn in ihren Scheunen schlafen und ab und zu sogar auf eine warme Mahlzeit hereinkommen ließen. Aber Mink machte sich um Mahlzeiten weniger Sorgen; ihn interessierte nur, wo die nächste Flasche herkam. Die Typen in Carl's Tavern spendierten ihm häufig einen Drink - auch wenn der Inhaber Mink nicht zum Trinken im Lokal duldete -, aber normalerweise schlug ihre Güte schnell in Gemeinheit um, und Mink war stets das Opfer der Streiche, die sie so gern spielten.
    Mink schien es nichts auszumachen, solange er nur was zu trinken bekam. Niemand in der Stadt schien zu wissen, wie alt Mink Harper war, aber er war seit mindestens drei Generationen der Buhmann, den Mütter ihren Söhnen vorhielten. Mike vermutete, daß Mink Anfang Siebzig sein mußte, dann hätte er zumindest genau das richtige Alter. Minks Status als Trunkenbold der Stadt und Gelegenheitsarbeiter machte ihn für den größten Teil der Bevölkerung unsichtbar, und genau aus dieser Unsicht-barkeit wollte Mike jetzt Kapital schlagen.
    Mikes Problem war, er hatte keine Flasche als gültige Währung; nicht einmal eine Dose Bier. Obwohl Mikes Vater in der Brauerei arbeitete und nichts lieber tat, als sich ab und zu mit den Jungs einen hinter die Binde zu kippen, duldete Mrs. O'Rourke keine alkoholischen Getränke im Haus. Niemals.
    Mike hielt vor dem Barbierladen zwischen der Fifth Avenue und den Gleisen an, sah vom Hitzeflimmern der Hard Raod zum kühlen Schatten des Parks und dachte nach. Hätte er seinen Verstand benützt, dann hätte Mike sich von Harlen etwas Fusel bringen lassen können, bevor dieser mit Dale losgezogen war. Harlens Mom hatte das Zeug literweise daheim und bemerkte nie, wenn etwas davon fehlte - behauptete Harlen. Aber jetzt war Harlen irgendwo mit Dale unterwegs und versuchte, die Mission zu erledigen, auf die Mike sie geschickt hatte, und Mike - der furchtlose Anführer selbst - saß buchstäblich auf dem Trockenen. Selbst wenn er Mink fand, würde er den hilfsbereiten alten Penner ohne Bestechung nie dazu bringen, ihm etwas zu verraten.
    Mike ließ einen Laster vorbeisausen, der nicht einmal vor den Radarkontrollen der Geschwindigkeitsbegrenzung von Elm Haven bremste, dann radelte er über die Hard Road, kürzte durch die Traktorhandlung ab, fuhr in südlicher Richtung um den kleinen Park herum und strampelte in die schmale Gasse hinter dem Parkside Cafe und Carl's.
    Mike stellte das Rad an der Backsteinmauer ab und ging zur offenen Hintertür. Er konnte rund ein halbes Dutzend Männer im Schankraum lachen und das Drehen des großen Ventilators dort hören. Fast alle Männer der Stadt hatten einmal eine Petition unterschrieben, in der gefordert wurde, daß Carl's mit einer Klimaanlage ausgerüstet werden sollte - damit wäre es das einzige klimatisierte Gebäude der Stadt gewesen, außer dem neuen Postamt -, aber Gerüchten zufolge, die Mike gehört hatte, sollte Dom Steagle nur gelacht und gesagt haben, für wen sie ihn eigentlich hielten, einen Politiker oder was? Er würde dafür sorgen, daß das Bier kalt blieb, und wer bei ihm nicht trinken wollte, konnte gerne ins Black Tree gehen.
    Mike duckte sich, als eine Toilettenspülung rauschte, ein paar Schritte den Flur entlang eine Tür aufging und jemand mit stapfenden Schritten in den Schankraum ging und etwas brüllte, bei dem die Anwesenden in lautstarkes Gelächter ausbrachen. Mike sah noch einmal hinein: zwei Toiletten - auf einer stand HENGSTE, auf der anderen STUTEN - und eine dritte Tür, auf der stand DRAUSSEN BLEIBEN.

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