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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Mike wußte, diese letzte, verschlossene Tür führte zum Keller: Er hatte schon einmal geholfen, Kisten herunterzutragen, um etwas Geld zu verdienen. , Mike stahl sich hinein, machte die Tür auf, trat auf die oberste Stufe der Kellertreppe und machte die Tür leise hinter sich zu. Er rechnete damit, Johlen und Schritte zu hören, aber der Lärm von vorne drang kaum bis hierher, und Tonfall und Timbre veränderten sich nicht. Er ging vorsichtig die Treppe hinunter und blinzelte in der Dunkelheit. Über dem breiten Steinsims befanden sich Fenster, aber die waren schon vor Jahrzehnten mit Brettern vernagelt worden; das einzige Licht war das bißchen, das durch gesplittertes Holz und die Staubschicht auf den Scheiben draußen hereindrang.
    Am unteren Ende der Treppe blieb Mike stehen und sah zu den Pappkartons und Metallkisten weiter hinten im Keller. Hinter einer halbhohen Backsteinwand schienen sich hohe Regale zu befinden, und Mike konnte sich vage erinnern, daß Dom dort den Wein aufbewahrte. Er ging auf Zehenspitzen durch den breiten Raum.
    Es war kein Weinkeller - keiner, wie ihn Dale aus Büchern beschrieben hatte, wo staubige alte Flaschen in ihren Mulden auf dem Regal lagen -, es handelte sich lediglich um ein paar Regale, auf die Dom seine Weinkartons gepackt hatte. Mike tastete sich nach rechts, fand die Kartons mehr durch Berühren als durch Sehen, lauschte nach dem Geräusch der aufgehenden Tür und atmete den vollen Biergeruch nach Malz und Hopfen ein. Eine Spinnwebe verfing sich auf seinem Gesicht, und er wischte sie weg. Kein Wunder, haßt Dale Keller.
    Mike fand einen offenen Karton auf dem hintersten Regal, tastete darin herum, bis er eine Flasche in der Hand hatte, dann hielt er inne. Wenn er sie nahm, wäre dies -schlicht und einfach - das erste Mal in seinem Leben, daß er wissentlich etwas gestohlen hatte. Von allen Sünden, die er kannte, war ihm Diebstahl irgendwie stets als die schwerwiegendste vorgekommen. Er hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit seinen Eltern, aber jemand, der stahl, war für Mike unter jeder Verachtung - als Barry Fussner in der zweiten Klasse erwischt worden war, wie er anderen Kindern Buntstifte gestohlen hatte, mußte Barry nur ein paar Minuten ins Büro des Rektors - aber Mike hatte nie wieder mit dem dicken Jungen gesprochen. Wenn er ihn nur ansah, wurde Mike übel.
    Mike stellte sich vor, wie er den Diebstahl beichten mußte. Sein Nacken brannte vor Verlegenheit, als er die Szene vor sich sah: Er kniete in dem dunklen Beichtstuhl, die Klappe war zurückgeschoben worden, so daß er gerade noch das Profil von Pater C. durch das Gitter erkennen konnte, und dann flüsterte Mike: >Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt A berichtete, wie lange seine letzte Beichte zurücklag und legte dann los... Aber plötzlich ruckte der geneigte, aufmerksame Kopf von Pater C. ans Gitter, Mike würde die toten Augen und den Rüsselmund ans Holz gedrückt sehen, und dann würden die Maden strömen, kullern, auf Mikes gefaltete Hände und ausgestreckte Arme und den wartenden Schoß fallen, ihn mit ihrer wuselnden braunen Masse zudecken und sich durch die Haut graben...
    Mike nahm die verdammte Flasche und machte, daß er hinauskam.
    Im Bandstand Park war es schattig, aber nicht kühl. Hitze und Feuchtigkeit lauerten ebenso in den schattigen Flek-ken wie in der Sonne, aber wenigstens brannte die Sonne hier nicht durch Mikes Bürstenschnitt auf die Kopfhaut. Etwas -oder jemand - hielt sich unter dem großen Aus-sichtspavillion auf. Mike duckte sich zu der gebrochenen Öffnung im Unterbau und sah hinein: Die Stützbalken ragten nur rund einen Meter vom Boden zum Betonfundament auf, aber der >Keller< unter dem Pavillon bestand nur aus Erde, und die war aus irgendwelchen Gründen bis fast auf dreißig Zentimeter Tiefe unter dem umliegenden Erdboden ausgehoben worden. Es roch nach nassem Boden und Lehm und dem sanften Aroma von Fäulnis. Mike dachte: Dale haßt Keller, ich hasse diese verdammten Kriechräume.
    Eigentlich war es gar kein Kriechraum. Mike hätte darin stehen können, hätte er Kopf und Schultern tiefer als normal gebeugt. Aber er ließ es sein; er kauerte an der Öffnung und versuchte, die sich verhalten regende dunkle Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite des niederen Stauraums zu erkennen.
    Cordie sagt, es gibt noch andere Wesen, die geholfen haben, Duane zu töten - Wesen, die sich eingraben.
    Mike blinzelte und kämpfte gegen den Impuls, auf sein

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