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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Minks Stimme nicht entnehmen, ob das gut oder schlecht war. Er vermutete gut, als Mink einen zögernden Schluck trank, einmal rülpste und es dann in vollen Zügen gluckern ließ.
    Dann erzählte Mink seine Geschichte zwischen Schlukken und leisem, unterdrücktem Rülpsen.
    Dale und Harlen sahen an C. J. Congdens pomadisiertem Kopf vorbei und durch ein hohes schmiedeeisernes Gitter zur Villa von Mr. Dennis Ashley-Montague. Dale stellte fest, daß es die erste richtige Villa war, die er je gesehen hatte: inmitten von unzähligen Ar Rasen gelegen, am Rande eines dichten grünen Walds, direkt auf der Klippe über dem Illinois River - da stand die Heimstatt der Ashley-Montagues als Tudorsches Durcheinander von Backsteinen und Giebeln und Fenstern mit diamantför-migen Gittern, alles zusammengehalten von Efeu, der amoklaufend bis zu den Zinnen und darüber hinaus gewuchert war. Jenseits des Tores krümmte sich die halbkreisförmige asphaltierte Zufahrt - die in wesentlich besserem Zustand war als der Grand View Drive selbst -anmutig den sanften Hang zum Haus hinauf, das hundert Meter oder mehr entfernt war. Eingebaute Sprinkler bewässerten verschiedene Areale des Rasens mit einem einlullenden Tschik-tschik-tschik.
    An der Backsteinsäule, in welcher der linke Torflügel verankert war, befand sich eine Lautsprecheranlage mit Gitter. Dale stieg aus und ging hinten um den schwarzen Chevy herum. Die heiße Luft, die während der Fahrt hereingeströmt war, war wie unsichtbares Schmirgelpapier auf Dales Haut gewesen, aber jetzt, wo sie stillstanden, waren die stehende Luft und die drückende Hitze des Sonnenlichts noch viel schlimmer. Dale spürte, daß sein T-Shirt durchnäßt war. Er zog die Baseballmütze tiefer und studierte mit zusammengekniffenen Augen die Laubschatten auf der im Sonnenschein gleißenden Straße hinter ihnen.
    Dale war bisher noch nie im Grand View Drive gewesen. Alle in diesem Teil des Bundesstaats schienen die Straße zu kennen, die sich an den Felsen des nördlichen Peoria entlangwand, und natürlich die großen Villen, wo die wenigen Millionäre hier in der Gegend wohnten, aber Dales Familie war noch nie hierher gefahren. Ihre Ausflüge in die Stadt konzentrierten sich mehr auf die Innenstadt - was sie zu bieten hatte - oder das neue Sherwood-Einkaufszentrum (sämtliche sechs Stockwerke), oder auf Peorias ersten und einzigen McDonald's an der Sheridan Road kurz vor dem War Memorial Drive. Diese steile und überlaubte Straße hier war eigenartig; Hügel dieser Größe kamen Dale schon seltsam vor. Er hatte sein Leben im flachen Land zwischen Peoria und Chicago verbracht, daher kamen ihm alle Hügel seltsam vor, die höher waren als diejenigen beim Friedhof Calvary oder an der Jubilee College Road - kleine, bewaldete Ausnahmen in einer Welt, die sich flach wie eine Tischplatte erstreckte.
    Die Anwesen, die sich samt und sonders in belaubter Abgeschiedenheit befanden, die größeren an den Felsen geschmiegt wie das von Mr. Ashley-Montague, waren für Dale wie etwas aus einem Roman.
    Harlen rief etwas aus dem Auto, und Dale wurde klar, daß er eine halbe Minute oder länger wie ein ausgemachter Idiot hier auf der Straße gestanden haben mußte. Außerdem merkte er, daß er Angst hatte. Er beugte sich näher ans schwarze Gitter der Sprechanlage, spürte nervöse Anspannung in Nacken und Magen und hatte keine Ahnung, wie er das Ding einschalten sollte, als plötzlich Worte aus dem Lautsprecher platzten. »Kann ich dir helfen, junger Mann?«
    Es war eine Männerstimme, mit dem vage abgehackten Akzent, den Dale immer mit britischen Schauspielern verband. Er mußte an George Sanders in den >Falcon<-Filmen im Fernsehen denken. Plötzlich blinzelte Dale und sah sich um. Weder auf der Säule noch am Tor schien sich eine Kamera zu befinden; wie konnten sie wissen, wer hier war? Beobachtete sie jemand in dem großen Haus mit einem Fernglas?
    »Kann ich dir helfen?« wiederholte die Stimme.
    »Äh ... ja«, sagte Dale und spürte, wie trocken sein Mund war, »Mr. Ashley-Montague?« Kaum hatte er das gesagt, wollte er sich selbst in den Hintern treten.
    »Mr. Ashley-Montague ist beschäftigt«, sagte die Stimme. »Haben die Herren etwas hier zu suchen, oder soll ich die Polizei rufen?«
    Angesichts dieser Drohung setzte Dales Herzschlag einmal aus, aber ein Teil seines Verstandes nahm zur Kenntnis: Wo immer der Typ sitzt, er kann uns alle sehen.
    »Äh ... nein«, sagte Dale, der nicht genau wußte, was er

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