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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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von Cong-dens Haus waren - wo der Punker am Fahrzeug ihrer Wahl lehnte -, bevor er so geflüstert hatte, daß nur Dale es hören konnte: »Wer sagt denn, daß C. J. einen Führerschein hat?«
    Es war eine Landstraße, die sich achtzehn Meilen nach Südost bis zum Highway 150 A schlängelte, und sie war nie für derartige Geschwindigkeiten geschaffen worden, nicht einmal damals, als sie noch nicht an ewigen Schlaglöchern und Rissen im Asphalt gelitten hatte. Der schwarze Chevy raste brüllend zum Tal des Spoon River und schien zu schweben, als sie über eine Hügelkuppe fuhren.
    Dale spürte den Hub der Schwerkraft, sah, wie Congden verkniffen durch den Zigarettenqualm blinzelte und mit dem Lenkrad kämpfte, und dann blinzelte Dale selbst zwischen den Fingern hindurch, während sie über die gesamte Straßenseite schlingerten, bis sie wieder gerade den steilen Hang hinunterschossen. Wäre ein Fahrzeug in die Gegenrichtung gefahren - gerade waren mehrere Laster Richtung Nordwesten an ihnen vorbeigekommen -, wären sie jetzt alle tot. Dale beschloß, daß er Harlen doch windelweich prügeln würde - selbst wenn alles gutging.
    Plötzlich bremste Congden und hielt mit dem Chevy auf dem Schotterstreifen am Straßenrand kurz vor der Brücke über den Spoon River. Sie hatten erst ein Drittel des Weges nach Peoria zurückgelegt.
    »Steig aus!« sagte Congden zu Dale.
    »Wieso muß ich... «
    Congden stieß Dale brutal und schlug ihm den Kopf an den Türrahmen. »Raus, du Arschgesicht!«
    Dale kletterte hinaus. Er sah flehentlich zu Harlen auf dem Rücksitz, doch der hätte ein Wildfremder sein können, so wenig Unterstützung bot er. Harlen zuckte die Achseln und begutachtete das Polster der Rückbank.
    Congden schenkte Harlen keine Beachtung. Er schubste Dale wieder, so daß dieser fast bis an den Rand des Brückengeländers zurücktaumelte. Der Highway lag hier ein Stück höher; sie befanden sich fast auf der Höhe der Wipfel der Krüppeleichen und Weiden, die unten am Ufer wuchsen. Bis zum Fluß selbst ging es fast zehn Meter hinunter.
    Dale wich zurück, spürte das Geländer an den Waden und ballte hilflos die Fäuste. Er hatte große Angst. »Verdammt, was hast du...«, begann er.
    C. J. Congden griff mit der Hand hinter sich und brachte ein Messer mit schwarzem Griff zum Vorschein. Eine zwanzig Zentimeter lange Klinge, in der sich das Sonnenlicht spiegelte, schnappte heraus. »Halt die Klappe und gib mir den Rest von dem Scheißgeld.«
    »Am Arsch«, sagte Dale, der die Fäuste hob und spürte, wie sein ganzer Körper im wilden Rhythmus seines Herzschlags pulsierte. Habe ich das wirklich gesagt?
    Congden bewegte sich sehr schnell. Dale hatte vor langer Zeit durch schlechte Erfahrung lernen müssen, daß der Rat seines Vaters - zumindest was Schläger anbetraf -kalter Kaffee war: Sie waren keine Feiglinge, jedenfalls nicht in den Situationen, die Dale erlebt hatte; sie zogen nicht ab, wenn man ihnen trotzte; und - am wichtigsten -sie waren nicht nur Prahlerei und Großspurigkeit. Jedenfalls C. J. Congden und sein Kumpan Archie Kreck nicht: Sie waren gemeine Drecksäcke, denen es Spaß machte, anderen weh zu tun.
    Congden beeilte sich, genau das zu tun. Er schlug Dales dünne Arme beiseite, schleuderte den kleineren Jungen so fest gegen das Geländer, daß Dale beinahe rückwärts hinuntergekippt wäre, und hielt die Klinge fest unter Dales Kinn. Dale spürte Blut fließen.
    »Du hirnverbrannter Dummkopf«, zischte Congden, dessen gelbe Zähne nur Zentimeter von Dales Gesicht entfernt waren. »Ich nehm' mir deine verfluchte Socke und lass' dich nach Hause laufen. Weißt du, was ich mit dir machen werde, du Arschgesicht?«
    Dale konnte den Kopf nicht schütteln; die Klinge hätte ihm die empfindliche Haut unter dem Kinn aufgeschlitzt. Er blinzelte.
    Congden grinste noch breiter. »Siehst du das Scheißblechding da draußen?« sagte er und deutete mit der freien Hand auf den rostigen Turm, zu dem fünfundzwanzig Schritte rechts auf der Brücke ein Steg führte. »Weil du eine dicke Lippe bei mir riskiert hast, nehm' ich dich auf das Blechding da, häng' dich mit dem Kopf nach unten auf und lass' dich in den Scheißfluß fallen. Was sagst 'n dazu, Arschgesicht?«
    Dale konnte gar nichts dazu sagen, und die Klinge drückte inzwischen noch fester zu, so daß er auch gar nichts dazu sagen wollte. Der Geruch von Schweiß und Bier, den Congden ausströmte, stieg ihm in die Nase, und er entnahm dem Tonfall des Schlägers, daß

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