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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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wich zur Scheunenwand zurück; das Herz schlug ihm bis zum Hals, und er spürte, wie Harlen zum Laufen ansetzte. Mike schoß immer noch nicht.
    Das Knurren schwoll zu einem Crescendo an; Klauen kratzten dunkel auf der Schlacke und dem Schotter der Gasse; Zähne funkelten im spärlichen Licht.
    Mike stellte sich breitbeinig hin, während das Ding näherkam.
    »Sitz, ihr verdammten Hunde!« sagte eine nörgelnde Stimme aus dem blassen Kreis des Gesichts. Das letzte Wort war wie >Huundhe< ausgesprochen worden.
    »Cordie«, sagte Mike. Er ließ die Waffe sinken.
    Jetzt konnte Dale erkennen, daß die Zähne und dunklen Leiber rechts und links von Cordie zwei sehr großen Hunden gehörten -einer war ein Dobermann, der andere eine Art deutscher Schäferhund. Cordie hielt sie an kurzen Leinen, die wie Wildlederschnüre aussahen.
    »Was machst du denn hier?« fragte Mike, der immer noch nicht sie ansah, sondern die Gasse entlang.
    »Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte Cordie Cooke. Dale hörte das letzte Wort als >frachen<.
    Mike achtete nicht auf die Frage - falls es überhaupt eine Frage gewesen war. »Hast du hier hinten jemanden gesehen? Jemand -Merkwürdigen?«
    Cordie schnaubte, was ein Lachen sein konnte, worauf die beiden Hunde rasch zu ihr aufsahen, sich die Lefzen leckten und abwarteten, ob sie sich mit ihr freuen durften. »Heutzutage sind jede Menge Merkwürdige bei Nacht unterwegs. Haste an jemand speziellen gedacht?«
    Mike drehte sich um, so daß er ebenso zu Dale und Harlen wie zu dem Mädchen sprach: »Ich war da oben.« Er deutete mit der Pistole zum Fenster über ihnen. »Ich hab' etwas vor dem Fenster gesehen. Jemand ... jemand sehr ... sehr Merkwürdigen.«
    Dale sah zu der Scheibe hinauf und dachte: mit Michelle? Er wußte, es war albern, als erstes daran zu denken, aber es schmerzte ihn dennoch ein wenig. Harlen sah lediglich stirnrunzelnd zu dem Fenster und wieder zu Mike, ohne zu verstehen; Dale sagte sich, daß Harlen Mike und Michelle nicht zusammen aus den Schatten hatte kommen sehen.
    »Bin grad angekommen«, sagte Cordie. »Ich und Belzy-bub und Lucifer wollten wissen, wer dieses Jahr zu der Rotznasenparty eingeladen worden ist.«
    Harlen kam näher und betrachtete die Hunde. »Belzy-bub und Lucifer?« Sie scheuchten ihn knurrend ein paar Schritte zurück.
    »Ich dachte, ihr seid weggezogen«, sagte Dale. »Deine Familie wäre weggezogen.« Fast hätte er gesagt auf und davon, abgehaut. Es war ansteckend, wenn man Cordie reden hörte.
    Der formlose Sack von einem Kleid bewegte sich auf und ab, möglicherweise ein Achselzucken. Die riesigen Hunde richteten ihre Aufmerksamkeit wieder von Jim auf ihr Herrchen... ihre Herrin... was auch immer. »Pa ist abgehauen«, sagte sie tonlos. »Hat die verdammten Dinge nachts nicht ausgehalten. Hat in schweren Zeiten noch nie was getaugt. Ma und die Zwillinge und meine Schwester Maureen und ihr Freund Berk, der Taugenichts, die sind alle zu Vetter Sook in Oak Hill.«
    »Wo bist du?« fragte Mike.
    Cordie sah ihn an, als könnte sie nicht fassen, daß jemand sie für dumm genug hielt, diese Frage zu beantworten. »Wo es sicher ist«, sagte sie knapp. »Warum hast du die Spritzpistole vom kleinen Jimmy auf mich gerichtet? Hast du mich für eins von den Nachtwesen gehalten?«
    »Nachtwesen«, wiederholte Mike. »Hast du sie gesehen?«
    Cordie schnaubte wieder. »Was meinste, warum Paps abgehaun ist und Ma und die andern 's Haus verlassen haben, hm? Die verdammten Dinger sind fast jede Nacht gekommen, und manchmal tagsüber.«
    »Tubby?« sagte Dale innerlich verkrampft. Die blasse Masse unter dem dunklen Wasser, die Augen, die aufklappten wie die einer Puppe.
    »Tubby und der Soldat und die tote alte Frau und 'n paar andere. Kinder, wie's ausgesehen hat, aber nicht mehr viel dran, außer Knochen und Lumpen.«
    Dale schüttelte den Kopf. Daß Cordie die aberwitzigen Geschehnisse so sachlich und nüchtern akzeptierte, hatte etwas an sich, daß er lachen und kichern und nicht mehr aufhören zu kichern wollte.
    Mike hob die linke Hand, wurde langsamer, als die Hunde knurrten, und berührte sie an der Schulter. Cordie schien angesichts der Berührung zusammenzuzucken.
    »Tut mir leid, daß wir dich nicht besucht haben«, sagte er. »Wir haben selbst versucht, hinter alles zu kommen, was hier los ist, und haben unsere Zeit mit Kämpfen und Fliehen zugebracht. Wir hätten an dich denken müssen.«
    Cordie legte den Kopf schief, eine fast hundeähnliche

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