Sommer der Nacht
Keller, diesmal weiter entfernt.
Mike ließ die Eichhornbüchse auf das Bett fallen und schüttelte Dale mit beiden Händen. »Bau... die ... Sa-vage ... zusammen! Sie wollen, daß du ohne Waffe da runter gehst! Sie wollen, daß du.in Panik gerätst! Denk nach!«
Dale schlotterte, während er die Schrotflinte zusammenbaute und den Lauf in den Griff einrasten ließ. Mike steckte zwei geladene Patronen in den Gürtel, warf Dale die Schachtel mit der 410er Munition zu, schlang das Walkie-talkie über die Schulter und sagte: »Okay, gehen wir runter!«
Die Schreie hatten aufgehört.
Sie rannten die Treppe hinunter, durch die dunkle Diele, durch die Küche und durch die Tür zur Kellertreppe.
37
»Sollen wir rüberkommen?« fragte Kevin über Walkie-talkie. Er und Harlen saßen angezogen und bereit in Kevs Schlafzimmer.
»Nein, bleibt, wo ihr seid, wenn wir euch nicht rufen«, funkte Mike vom oberen Ende der Treppe. »Wir drücken den Sendeknopf zweimal, wenn wir euch brauchen.«
»Klaro.«
Als Mike abschaltete, gingen die Lichter im Haus der Stewarts aus. Er zog die Taschenlampe aus dem Rucksack und ließ ihn auf die Küchenschwelle plumpsen. Dale griff nach der Taschenlampe, die sein Dad auf einem Stützkreuz aus Holzbalken am oberen Ende der Treppe aufbewahrte. Küche und Haus hinter der offenen Tür ins Innere waren dunkel; der Keller war mehr als dunkel.
Ein kratzendes, gleitendes Geräusch war zu hören.
Dale legte die .410er Patrone ein, ließ den .22er-Lauf leer und klappte das Gewehr zu. Der Strahl seiner Taschenlampe fiel auf die Schlackesteine an der Krümmung der Treppe ziemlich weit unten. Hinter der Ecke ertönten weitere kratzende Geräusche.
»Gehen wir«, sagte er und hielt die Taschenlampe in einer und die Schrotflinte in der anderen Hand bereit. Mike folgte ihm mit der Eichhornbüchse und seiner Schrotflinte.
Sie eilten die beiden letzten, größeren Stufen hinunter, rochen den feuchten Gestank nach der Überschwemmung im Keller. Vor ihnen gingen Rohre vom Ofen und der Kohlenklappe aus wie Medusenhaar. Das schlurfende, kratzende Geräusch kam von rechts, durch die kleine Tür in der Mauer.
Aus dem Kohlenkeller.
Dale sprang mit einem Satz hinein, der Strahl der Taschenlampe schwang von links nach rechts und wieder zurück: der Schüttgutbehälter, Wände, das kleine, vom Winter übriggebliebene Kohlenhäufchen, die Nordmauer mit ihrer Klappe nach draußen und die Kohlenrutsche, die in eine Ecke geschoben worden war, Spinnweben an der Wand direkt nebenan, bis hin zum offenen Raum.
Aus dem Kriechraum unter Haus und Veranda drang ein schwaches Leuchten hervor: kein Licht, so hell war es nicht, aber ein blasses, phosphoreszentes Leuchten, so ähnlich wie die Radiumzeiger von Kevins Uhr. Dale ging näher hin und leuchtete mit der Taschenlampe in den engen, spinnwebverhangenen Raum.
Acht Meter weiter, wo der Kriechraum normalerweise an unverputzten Steinen und Schlackeblocks am Ende der Veranda aufhörte, beleuchtete die Taschenlampe die welligen Wände eines vierzig Zentimeter durchmessenden, völlig runden Lochs, aus dem das grüne Fäulnisleuchten drang, das sie vom Kohlenkeller gesehen hatten.
Dale stellte seine Sachen auf den Sims, stemmte sich in den Kriechraum und achtete nicht auf die Spinnweben im Gesicht, als er über den feuchten Boden auf den Tunnel zukroch.
Mike packte ihn an den Knöcheln.
»Laß mich los! Ich muß hinterher.«
Mike fackelte nicht lange, er zog Dale mit aller Gewalt zurück, bis dessen Pyjamaoberteil über den Schlackesteinsims schabte.
»Laß mich los!« brüllte Dale und versuchte, sich loszureißen. »Ich muß hinterher.«
Mike packte das Gesicht seines Freundes, brachte ihn zum Schweigen und drückte ihn gegen die kalte Wand. »Wir gehen hinterher. Aber damit rechnen sie ... daß du diesem Tunnel folgst. Oder direkt dorthin gehst, wo sie ihn hinbringen.«
»Und wo wäre das?« keuchte Dale, der noch den Kopf schüttelte und den Druck von Mikes kräftigen Fingern an den Wangen spürte.
»Zieh eine Linie«, sagte Mike und deutete in Richtung des Tunnels.
Dale sah mit umwölkten Augen hin. Südwesten. Über den Schulhof... »Old Central«, sagte er. Er schüttelte wieder den Kopf. »Lawrence lebt vielleicht noch.«
»Vielleicht. Wir wissen nicht, daß sie schon einmal jemand geholt haben... sonst töten sie nur. Vielleicht wollen sie ihn lebend. Wahrscheinlich als Köder, damit wir alle nachkommen.« Er drückte auf den Sendeknopf. »Kev, Harlen, nehmt
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