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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich dir letztes Halloween >Die Maske des Roten Todes< vorgelesen habe?« Dale verspürte einen seltsamen Anflug von Traurigkeit und brauchte einen Moment, bis ihm einfiel, daß Duane ihm von den wunderbaren Geschichten und Gedichten von Poe erzählt hatte. Er sah auf den Nachttisch, wo die Notizbücher von Duane fein säuberlich zusammengebunden lagen. Unten läutete das Telefon zweimal. Sie konnten die gedämpfte Stimme von Dales Mutter hören, die antwortete.
    »Ist doch egal«, sagte Lawrence und verschränkte auf dem Kissen die Hände hinter dem Kopf. Das Muster seines Pyjamas bestand aus kleinen Cowboys auf bockenden Mustangs. »Ich wünschte nur, wir könnten den Film sehen.«
    Mike legte das Batman-Heft weg. Er trug eine einfarbige blaue Pyjamahose und sein T-Shirt. »Du möchtest doch nicht im Dunkeln nach Hause laufen, oder? Deine Mom wollte wegen des Gewitters nicht gehen, und ich finde auch, in so einer Nacht sollte man zu Hause bleiben.«
    Schritte erklangen auf der Treppe, und Mike sah zu seinem Rucksack, aber Dale sagte: »Das ist Mom.«
    Sie blieb unter der Tür stehen. In ihrem weißen Sommerkleid sah sie sehr attraktiv aus. »Das war Tante Lena. Onkel Henry hat wieder Rückenschmerzen - er hat wieder mal versucht, Baumstümpfe aus der hinteren Wiese zu ziehen -, und jetzt kann er den Rücken überhaupt nicht mehr gerade machen. Dr. Viskes hat ihm ein Schmerzmittel verschrieben, aber ihr wißt ja, wie ungern Tante Lena Auto fährt. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr die Tabletten rausbringen könnte.«
    Dale richtete sich im Bett auf. »Die Apotheke hat geschlossen.«
    »Ich habe Mr. Aikins angerufen. Er geht runter, macht auf und gibt mir das Rezept.« Sie sah zum Fenster hinaus; Wetterleuchten zeichnete die Umrisse von Bäumen und Häusern im Süden. »Ich weiß nicht, ob ich euch Jungs allein hier lassen soll, wenn ein Gewitter aufzieht. Wollt ihr mitkommen?«
    Dale wollte etwas sagen, dann sah er zu Mike, der zu dem Walkie-talkie neben sich auf dem Boden nickte. Dale begriff: Wenn sie zu Onkel Henry fuhren, verloren sie die Verbindung mit Kevin und Harlen. Sie hatten aber ihr Wort gegeben.
    »Nn-nnn«, sagte Dale. »Wir kommen zurecht.«
    Seine Mutter sah in die Dunkelheit hinaus. »Bist du sicher?«
    Dale grinste und winkte mit einem Comic. »Klar ... wir haben Süßigkeiten und Popcorn und Comics ... was könnten wir uns noch wünschen?«
    Sie lächelte. »Na gut. Ich bin in zwanzig Minuten oder so wieder da. Ruft die Farm an, wenn ihr mich braucht.« Sie sah auf die Uhr. »Es ist fast elf. Denkt in ein paar Minuten daran, das Licht auszumachen.«
    Sie hörten, wie sie sich unten zu schaffen machte, wie die Hintertür zugeschlagen wurde, wie das alte Auto ansprang. Dale ging ans Fenster und sah ihm nach, wie es die Second hinunter Richtung Innenstadt fuhr.
    »Gefällt mir nicht besonders«, sagte Mike.
    Dale zuckte die Achseln. »Glaubst du, die Glocke oder was hat sich als Baumstumpf verkleidet, um Onkel Henry am Rücken zu verletzen? Glaubst du, das gehört alles zu einem Plan?«
    »Es gefällt mir nur nicht.« Mike stand auf und schlüpfte in die Turnschuhe. »Ich finde, wir sollten lieber die Tür unten abschließen.«
    Dale zögerte. Ein merkwürdiger Gedanke. Sie schlössen die Tür nur ab, wenn sie in Urlaub gingen oder so. »Ja«, sagte er schließlich. »Ich geh' runter und mach's.«
    »Du bleibst hier«, sagte Mike und nickte zu Lawrence, der so in seinen Comic vertieft war, daß er nichts mitbekam. »Bin gleich wieder da.« Er nahm den Rucksack und ging auf den Absatz hinaus und die Treppe hinunter. Dale strengte sich an und hörte, wie der Riegel der Eingangstür zugeschoben wurde, dann Schritte den Flur entlang zur Küche. Sie mußten horchen, wann ihre Mom zurückkam, damit sie nach unten gehen und alles wieder aufmachen konnten, bevor sie zur Hintertür kam.
    Dale legte sich aufs Bett zurück und betrachtete die lautlosen Blitze und den Laubschatten der großen Ulme vor dem Nordfenster zu seiner Rechten.
    »He, sieh dir das an!« sagte Lawrence lachend. Er las den Onkel-Dagobert-Comic - seine liebste Lektüre auf der ganzen Welt -, und etwas in der Geschichte um das Wikingergold hatte ihn zum Lachen gebracht. Er hielt Dale die Seite hin.
    Dale war müde; er griff nach dem Comic und verfehlte ihn. Das Heft fiel auf den Boden.
    »Ich hab' ihn«, sagte Lawrence, der zwischen den beiden Betten nach unten griff.
    Eine weiße Hand schoß unter dem Bett hervor und packte Lawrences

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