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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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eure sämtlichen Sachen, wir treffen uns in etwa drei Minuten bei der Zapfsäule. Wir ziehen uns an und kommen sofort hin.«
    Dale wirbelte herum, so daß der Lichtstrahl der Taschenlampe wieder in den Tunnel deutete. »Okay, okay, aber ich folge ihm. Wir gehen zur Schule.«
    »Ja«, sagte Mike, lief voraus die Treppe hinauf und beleuchtete die dunkle Diele und die Treppe mit der Taschenlampe, »du und Harlen dringt in die Schule ein, während Kevin seine Sache durchzieht. Ich folge dem Tunnel.«
    Sie kamen in ihr Zimmer, Dale zog Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt an und verzichtete auf Unterwäsche und Socken. »Du hast gesagt, sie rechnen damit, daß wir dem Tunnel folgen oder direkt zur Schule gehen.«
    »Das eine oder das andere«, antwortete Mike. »Vielleicht nicht beides.«
    »Warum solltest du durch den Tunnel gehen? Er ist mein Bruder.«
    »Stimmt«, sagte Mike. Er holte müde Luft. »Aber ich habe mehr Erfahrung mit diesen Kreaturen.«
    Mr. Ashley-Montague trank noch zwei Drinks auf dem Rücksitz der Limousine, während Trickfilme und Wochenschau gezeigt wurden, aber als der Hauptfilm anfing, kam er heraus. Es war ein neuer Film, der in seinen Kinos in Peoria gut besucht war: Roger Cormans Die Verfluchten. Es fing mit dem unvermeidlich stutzerhaften Vincent Price als Roderick Usher an, aber dieser HorrorFilm war sehr viel besser als die meisten ihrer Art. Mr. Ashley-Montague gefiel besonders der vorherrschende Einsatz von Schwarz und Rot und die geheimnisvolle Ausleuchtung, die jeden einzelnen Stein im alten Schloß der Ushers scharf hervorzuheben schien.
    Die erste Spule war zu Ende, als Wind aufkam. Mr. Ashley-Montague lehnte am Geländer des Pavillons, als die Zweige hoch oben hin und her zu peitschen anfingen, Papierschnipsel über den Rasen des Parks geweht wurden und die wenigen Besucher sich entweder unter Dek-ken verkrochen oder in den Schutz von Autos oder ihren Häusern flohen. Der Millionär sah über das Dach des Parkside Cafe und erschrak, wie tief die rasenden Wolken hingen, wenn sie von den stummen Blitzen erhellt wurden. >Hexensturm< nannte seine Mutter diese Art immer, die häufiger im Frühling und Herbst als im Hochsommer auftraten.
    Auf der Leinwand trugen Vincent Price als Roderick Usher und der junge Besucher den schweren Sarg mit Ushers Schwester in die spinnwebverhangene Tiefe der Familiengruft. Mr. Ashley-Montague wußte, daß das Mädchen nur an der Familienkrankheit Katalepsie litt, das Publikum wußte es, Poe hatte es gewußt... warum wußte Usher es nicht? Vielleicht weiß er es, dachte Mr. Ashley-Montague. Vielleicht ist er williger Teilnehmer der Tat, seine Schwester lebendig zu begraben.
    Das erste Donnergrollen hallte über die endlosen Felder südlich der Stadt, tönte vom Ultraschall zu Bereichen, bei denen die Zähne klapperten, und endete mit einem schrillen Laut.
    »Sollen wir Schluß machen, Sir?« rief Tyler vom Projektor. Der Butler/Chauffeur mußte wegen dem Wind seine Stoffmütze festhalten. Nur vier oder fünf Leute blieben in den Autos oder unter Bäumen im Park, um den Film zu sehen.
    Mr. Ashley-Montague sah zur Leinwand. Der Sarg vibrierte; Fingernägel krallten sich ans Innere des Bronzesargs. Vier Stockwerke höher nahm Roderick Ushers fast übernatürliches Gehör jedes Geräusch wahr. Vincent Price erschauerte und legte die Hände auf die Ohren; er brüllte etwas, das in einem Donnerschlag unterging. »Nein«, sagte Mr. Ashley-Montague. »Der Film ist sowieso fast zu Ende. Lassen Sie ihn weiterlaufen.«
    Tyler nickte sichtlich unzufrieden und hielt den Anzug dicht um den Hals, als der Wind wieder anschwoll.
    »Denisssss.« Das Flüstern kam aus dem Gebüsch unter dem Pavillon. »Denüissssssss ...«
    Mr. Ashley-Montague runzelte die Stirn und ging zum Geländer. Er konnte niemanden in den Büschen unten sehen, aber das ungestüme Tosen des Windes und die relative Dunkelheit machten es schwer zu erkennen, ob da unten jemand im hohen Gebüsch kauerte. »Wer ist da?« rief er. Niemand in Elm Haven nahm sich die Freiheit heraus, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen - und anderswo hatten auch nur sehr wenige Menschen das Recht dazu.
    »Deniiiissssssss.« Es war, als würde der Wind in den Büschen fauchen.
    Mr. Ashley-Montague hatte nicht die Absicht, da hinunterzugehen. Er drehte sich um und rief fingerschnippend nach Tyler. »Jemand spielt mir einen Streich. Sehen Sie nach, wer es ist. Entfernen Sie ihn.« Tyler nickte und stieg behende die Stufen hinunter.

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