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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schatten an den Balken - und eine Dunkelheit, die dunkler als Schatten war, vor der Tür zum Kellerflur.
    »Gehen wir!« flüsterte Dale, der die Taschenlampe direkt über dem Lauf der Sa vage hielt. Er wünschte sich, er hätte auch die .22er Munition mitgebracht, nicht nur die .410er.
    Dale ging voraus in die Dunkelheit.
    »Miststück«, flüsterte Kevin Grumbacher. Er fluchte fast nie, aber hier klappte einfach nichts.
    Die anderen waren alle gegangen, und Kevin tat sein Bestes, den Laster und Broterwerb seines Dad zu ruinieren. Es machte ihn krank: die Zapfsäule und den unterirdischen Benzintank aufzubrechen, mit dem Milchschlauch das Benzin in den Edelstahltank zu pumpen. Wie sehr sie den Schlauch auch putzen würden, es würde immer ein Rest Benzin bleiben und die Milch versauen. Diese Schläuche kosteten ein kleines Vermögen. Kevin wollte nicht einmal daran denken, was er mit dem Tank selbst machte. Da der Strom ausgefallen war, war die Klimaanlage im Haus auch aus, und das würde seine Eltern früher oder später wecken ... früher, wenn das Gewitter weiter so tobte. Sein Dad war berühmt für seinen Tiefschlaf, aber seine Mutter ging bei Unwettern öfters durchs Haus. Ein Glück, daß ihr Schlafzimmer unten neben dem Fernsehzimmer lag.
    Trotzdem mußte Kevin den Tanklaster aus dem Schuppen bekommen, ohne den Motor anzulassen; er hatte den Schlüssel, war aber sicher, der Lärm würde ohne die Dek-kung der Klimaanlage seinen Vater aufwecken. Das Gewitter wurde lauter, aber Kevin konnte sich nicht darauf verlassen, daß der Donner den Lastermotor übertönen würde. Glücklicherweise lag die Zufahrt am Hang, daher hatte Kevin den Laster in Leerlauf geschaltet und die erforderlichen drei Meter rollen lassen, bis er nahe genug an der Zapfsäule stand. Er hatte den Stecker der Zentrifugalpumpe in die 230-Volt-Steckdose in der Garage gesteckt, und dann war ihm eingefallen, daß ja kein Strom da war. Prima. Echt prima!
    Sein Vater hatte einen Generator Marke Coleman im Schuppen stehen, aber der würde mehr Lärm machen als der Laster selbst.
    Er hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen. Kevin drückte die entsprechenden Schalter, versetzte den Vergaser des Generators einmal mit Benzin aus dem Ersatzkanister des Lasters und riß heftig am Starterkabel. Der Generator gluckste zweimal, hustete einmal und sprang an.
    Ist gar nicht so laut. Nicht lauter als schätzungsweise zehn Go-Karts in einem Aluminiumfaß.
    Aber die Haustür wurde nicht aufgerissen, sein Vater kam nicht mit wehendem Nachthemd und vor Wut aufgerissenen Augen herausgestürmt. Noch nicht.
    Kevin steckte das Kabel in die entsprechende Steckdose, zog die Schuppentür zu, obwohl der Wind versuchte, sie ihm aus den Händen zu reißen, und suchte den Schlüssel für den Deckel des Tankstutzens. Er nahm den drei Meter langen Stab, den sein Dad neben dem Schuppen liegen hatte, und überprüfte die Füllhöhe: schien fast randvoll zu sein. Kevin machte sich an der hinteren Klappe des Lasters zu schaffen, holte den unförmigen Schlauch heraus, befestigte ihn und rollte ihn über die Einfahrt zum Füllstutzen. Als der Schlauch sich in der Dunkelheit entrollte, mußte er an Dinge denken, an die er lieber nicht denken wollte.
    Der Sturm wurde ungestümer. Die Birken und Pappeln vor dem Ranchhaus der Grumbachers gaben sich Mühe, nicht in Stücke gerissen zu werden, während das Himmelsspektakel die Welt unten in unechte Kodachromfar-ben tauchte.
    Kevin drückte auf den Schalter und sah, wie der Schlauch prall wurde und wogte, als die Vakuumpumpe mit dem Abpumpen begann. Er machte die Augen zu, als er hörte, wie das erste SuperBenzin in den sauber geschrubbten und keimfreien Edelstahltank spritzte und blubberte. Tut mir leid, Kinder, aber eure Milch wird eine Zeitlang nach Shell schmecken.
    Sein Dad würde ihn umbringen, was auch passierte. Kevins Vater ließ seine Wut selten sehen, aber wenn, dann mit einer rasenden teutonischen Heftigkeit, die Kevins Mutter und jedem im tödlichen Umkreis Angst machte.
    Kevin machte die Augen auf und blinzelte, als der Wind ihm Staub und Sand entgegenwehte. Dale und Lawrence waren nicht mehr auf dem Schulhof zu sehen, und Mike war im Keller der Stewarts verschwunden. Plötzlich kam sich Kevin ganz allein vor. Dreihundert Liter pro Minute. Es müssen mindestens dreitausend Liter in dem Tank da unten sein
    - das halbe Fassungsvermögen des Tanklasters. Was ... fünf zehn Minuten Pumpzeit? Das wird Dad niemals alles

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