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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Hund zitterte und gab ein kehliges Geräusch von sich, das nicht ganz ein Knurren war. »Pssst«, flüsterte Duane, tätschelte dem Hund den schmalen Kopf und hielt ihn fest. Das Zittern hörte nicht auf.
    Wenn sie aus dem Laster ausgestiegen sind, könnten sie inzwischen fast hier sein, dachte Duane. Und dann dachte er: Wer?
    »Komm mit, Witt«, sagte er leise. Er führte den Collie am Halsband ins Haus zurück, machte sämtliche Lichter aus, ging in den unordentlichen Raum, den der Alte als sein Arbeitszimmer bezeichnete, fand den Schlüssel in der Schreibtischschublade, ging ins Eßzimmer und schloß den Waffenschrank auf. Er zögerte nur einen Moment, dann ließ er die Doppelläufige, die .30-06 und die Kaliber 12 stehen und nahm die Kaliber 16 mit Durchladegriff.
    In der Küche winselte Wittgenstein. Seine Krallen schabten über das Linoleum.
    »Psst, Witt«, sagte Duane leise. »Schon gut, junge.« Er sah in den Verschluß und vergewisserte sich, daß dieser frei war, zog durch, überprüfte ihn erneut, hielt sie hoch, um das leere Magazin im schwachen Licht von den Vorhängen zu kontrollieren, und zog die unterste Schublade auf. Dort lagen die Patronen in ihrem gelben Karton, und Duane kauerte neben dem Eßzimmertisch, lud fünf und steckte noch drei in die Brusttasche seines Flanellhemds.
    Wittgenstein bellte. Duane ließ ihn in der Küche, nahm das Fliegengitter im Eßzimmer heraus, trat hinaus in die Dunkelheit des Gartens seitlich vom Haus und ging langsam um das Gebäude herum.
    Das Licht vom Laternenmast erhellte den Wendehammer und die ersten zehn Meter der Einfahrt. Duane duckte sich und wartete. Er merkte, daß sein Herz schneller als gewöhnlich schlug, daher holte er tief und regelmäßig Luft, bis es wieder normal war.
    Die Grillen und andere Insekten waren verstummt. Die abertausend Maisstauden bewegten sich nicht, es herrschte vollkommene Stille, im Süden flackerten wieder Blitze. Diesmal war der Donner zu hören; er ertönte fünfzehn Sekunden später. Duane wartete, atmete flach durch den Mund und hatte den Daumen auf der Sicherung. Die Schrotflinte roch nach Öl. Wittgenstein hatte aufgehört zu bellen, aber Duane konnte seine Krallen auf dem Linoleum hören, als der Collie in der Küche von einer geschlossenen Tür zur nächsten ging.
    Duane wartete.
    Mindestens fünf Minuten später hustete der Motor des Lasters, sprang an, und der Kies knirschte.
    Duane ging rasch zum Rand des Maisfelds, hielt sich geduckt und lief die erste Reihe entlang bis zu der Stelle, von wo er den Wagen sehen konnte.
    Immer noch keine Scheinwerfer. Der Laster stieß rückwärts auf die County Six, verweilte einen Augenblick und fuhr dann nach Süden -Richtung Friedhof, Black Tree Tavern und Elm Haven.
    Duane hob den Kopf über den Mais und beobachtete, aber er sah keine Heckleuchten, während der Motorenlärm auf der County Six leiser wurde. Er duckte sich wieder in den Mais, verharrte dort, atmete gleichmäßig und legte die Kaliber 16 über die Knie und lauschte.
    Zwanzig Minuten später fielen die ersten Regentropfen. Duane wartete noch einmal drei oder vier Minuten, dann kam er aus dem Mais, blieb aber dicht am Feldrain, damit sich seine Silhouette nicht gegen den Himmel abhob, ging auf einem komplizierten Weg um Haus und Scheune herum - die Spatzen in der Scheune waren still, die Schweine im Stall grunzten und wühlten normal - und trat durch die Küchentür ein.
    Wittgenstein wedelte mit dem Schwanz wie ein Welpe, sah Duane mit seiner Schrotflinte kurzsichtig an und ging von dem Jungen zur Tür, von der Tür zu dem jungen.
    »Nn-nnn«, sagte Duane, ließ die Patronen eine nach der anderen herausspringen und reihte sie auf dem karierten Tischtuch auf, »wir gehen heute nacht nicht auf die Jagd, Blödmann. Aber du bekommst etwas ganz Besonderes zu essen ... und dann darfst du die ganze Nacht unten bei mir schlafen.« Duane ging zum Schrank, worauf Witts Schwanz einen schnelleren Rhythmus auf dem Linoleum schlug.
    Draußen hatte der Regen nach dem ersten Guß nachgelassen, aber der Wind rauschte durch den Mais und peitschte die Holzapfelbäume.
    Jim Harlen stellte fest, daß das Klettern doch nicht ganz so leicht war. Besonders nicht, als der Wind aufkam und Staub vom gekiesten Spielplatz und dem Schulparkplatz heraufwehte. Harlen hielt auf halber Höhe des Regenrohrs inne und rieb sich den Dreck aus den Augen.
    Nun, immerhin polterte der Wind alles gehörig durch und würde jeden Laut übertönen, den er selbst

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