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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aufgeregt war -, aß den letzten Rest Popcorn und trank ab und zu aus der Flasche Dr. Pepper, die sie im Parkside-Cafe gekauft hatten. Lawrence hatte große Augen, während er verfolgte, wie Rod Taylor in die unterirdische Welt der Morlocks hinabstieg. Er rückte näher zu seinem älteren Bruder.
    »Schon gut«, flüsterte Dale. »Sie haben Angst vor dem Licht, und der Typ hat Streichhölzer.«
    Auf der Leinwand leuchteten die Augen der Morlocks gelb wie die Glühwürmchen in den Büschen am Südende des Parks. Rod Taylor zündete ein Steichholz an, worauf die Ungeheuer zurückwichen und die Augen mit den blauen Unterarmen abschirmten. Die Blätter raschelten weiter; Dale sah auf und stellte fest, daß die Sterne von Wolken bedeckt wurden. Er hoffte, die Gratisvorstellung würde nicht wegen Regens abgebrochen werden.
    Mr. Ashley-Montague brachte zusätzlich zu dem im Projektor eingebauten noch zwei Außenlautsprecher mit, aber der Ton war dennoch leiser als in einem richtigen Kino. Jetzt verschmolzen die Rufe von Rod Taylor und die Schreie der aufgebrachten Morlocks mit dem Rascheln der Blätter im zunehmenden Wind und dem ledri-gen Schlagen der Flügel dunkler Schemen, die zwischen den Bäumen über dem Park hin und her schossen.
    Lawrence rutschte näher, bekam Grasflecken auf die Levis und vergaß völlig, sein Popcorn zu mampfen. Er hatte die Baseballmütze abgezogen und kaute - wie häufig, wenn er nervös war, auf dem Schirm.
    »Schon gut«, flüsterte Dale und klopfte seinem kleinen Bruder mit der Faust auf die Schulter. »Er holt Weena aus den Höhlen.«
    Die bunten Bilder tanzten weiter, während der Wind zunahm.
    Duane war in der Küche und nahm einen späten Imbiß zu sich, als er hörte, wie der Lastwagen in die Einfahrt bog.
    Im Keller, bei eingeschaltetem Radio, hätte er den Laster normalerweise nicht gehört, aber die Innentür stand offen, die Fenster waren auf, und es war still, abgesehen vom unablässigen Sommerkonzert der Grillen, Laubfrösche beim Teich und dem gelegentlichen Poltern der Futterklappe aus Eisen beim Schweinetrog.
    Der Alte kommt aber früh heim, dachte er und stellte im selben Augenblick fest, daß der Motor sich nicht richtig anhörte. Es war ein größerer Laster ... oder zumindest ein größerer Motor.
    Duane duckte sich und sah zur Glastür hinaus. In ein paar Wochen würde der wachsende Mais selbst diesen Ausblick auf die Zufahrt zum Haus verdecken, aber noch konnte er die letzten rund dreißig Meter des Wegs einsehen. Kein Pritschenwagen tauchte auf. Das Knirschen von Kies, das er erwartet hatte, blieb aus.
    Duane runzelte die Stirn, biß von seinem Leberwurstbrot ab, ging zur Glastür hinaus und schritt zum Wendehammer zwischen Haus und Scheune, damit er besser den Weg entlangsehen konnte. Es kam vor, daß Leute in der Einfahrt wendeten, aber nicht oft. Und das Geräusch war eindeutig ein Lastwagenmotor gewesen; Onkel Art weigerte sich, einen Pritschenwagen zu fahren - er sagte, auf dem Land zu leben wäre schon Fluch genug, auch wenn man nicht im häßlichsten Fortbewegungsmittel saß, das Detroit jemals entworfen hatte -, und der Motor, den Duane gehört hatte, war nicht der von Onkel Arts Cadillac gewesen.
    Duane stand in der warmen Dunkelheit draußen, aß sein Brot und sah die Einfahrt entlang. Der Himmel bestand aus einer dunklen, konturlosen Wolkendecke, die Felder mit dem niederen Mais lagen stumm in der seidigen Ruhe vor dem Sturm. Glühwürmchen leuchteten über den Gräben und vor der Schwärze des niederen Holzapfelbaums neben dem Weg zur County Six.
    Ein großer Lastwagen mit abgeschalteten Scheinwerfern stand reglos beim Eingang zur Einfahrt etwa hundert Meter entfernt. Duane konnte keine Einzelheiten erkennen, aber das Ding bildete einen dunklen Keil, wo eine hellere Lücke hätte sein sollen.
    Duane verweilte für ein paar Augenblicke, aß sein Brot fertig und überlegte, ob er jemanden mit einem so großen Laster kannte, der am Samstagabend zu Besuch kommen konnte. Er kannte niemand.
    Bringt jemand den Alten betrunken nach Hause? Das war schon vorgekommen. Aber nicht so früh.
    Weit im Süden leuchtete ein Blitz auf - so weit entfernt, daß kein Donner zu hören war. Der kurze Augenblick des Lichts hatte Duane keine Einzelheiten des Lastwagens gezeigt, nur daß der dunkle Umriß immer noch da war.
    Etwas strich an Duanes Schenkel entlang.
    »Pssst, Wittgenstein«, flüsterte er, ließ sich auf ein Knie sinken und schlang die Arme um den Hals des Collie. Der

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