Sommer der Nacht
Dad sind im Silverleaf«, flüsterte er und bemühte sich, fröhlich zu klingen. Das Singen um sie herum war leise, mehr Kratzer als Stimme. »Mary und Peg sind zum Film ausgegangen. Dale sagt, bei der Gratisvorstellung heute abend zeigen sie Die Zeitmaschine. Er sagt, es handelt von einem Mann, der in die Zukunft reist oder so.« Mike verstummte und beobachtete eingehend, wie sich Memo etwas zu bewegen schien: ein schwaches, unwillkürliches willkürliches Zucken der Hüfte, ein Rascheln der Bettdecke. Mit einem leisen Geräusch ließ sie einen fahren.
Mike sprach hastig weiter, um seine Verlegenheit zu verdrängen. »Irgendwie eine unheimliche Idee, hm, Memo? In die Zukunft zu reisen. Dale sagt, eines Tages werden die Menschen es können, aber Kevin sagt, es ist unmöglich. Kev sagt, es ist nicht, als würde man ins All fliegen, wie die Russen mit dem Sputnik ... weißt du noch, wie du und ich den vor ein paar Jahren vorbeiziehen gesehen haben? Ich habe gesagt, vielleicht schicken sie als nächstes einen Menschen hoch, und du hast gesagt, du wünschtest, du könntest fliegen.
Na, wie dem auch sei, Kev sagt, es ist unmöglich, durch die Zeit oder in ihr zurück zu reisen. Er sagt, das führt zu ,vielen Para ...« Mike suchte nach dem Wort. Es gefiel ihm nicht, wenn er vor Memo dumm wirkte; sie war die einzige in der Familie, die ihn nicht für dumm gehalten hatte, als er die vierte Klasse wiederholen mußte. »Para ... Paradoxe. So etwa, was würde passieren, wenn man in der Zeit zurückreist und aus Versehen seinen Großvater erschießt ...« Mike verstummte, als ihm klar wurde, was er da sagte. Sein Großvater - Memos Mann - war vor zweiunddreißig Jahren im Getreidesilo ums Leben gekommen, als eine Luke nachgegeben hatte und Tonnen Weizen auf ihn herabgestürzt waren, während er den Hauptbehälter saubermachte. Mike hatte gehört, wie sein Vater anderen Männern erzählte, daß der alte Devin Houlihan in dem steigenden Strudel des Getreides geschwommen war wie ein Hund in einer Flut, bis er erstickt war. Die Autopsie hatte ergeben, daß seine Lungen prall mit Staub gefüllt waren, wie zwei Säcke voll Mehl.
Mike betrachtete Memos Hand. Er streichelte die Finger und dachte an einen Abend im Herbst zurück, als er sechs oder sieben gewesen war und Memo in eben diesem Salon im Schaukelstuhl gesessen und genäht hatte, während sie mit ihm sprach. »Michael, dein Großvater ist mitgegangen, als der Tod ihn holen gekommen ist. Der Mann im dunklen Gewand ist einfach zum Getreidesilo gegangen und hat meinen Devin an der Hand genommen. Aber er hat gekämpft-Herrgott, und wie er gekämpft hat! Und genau das werde ich auch machen, Michael, Liebster, wenn der Mann im dunklen Gewand versucht, hier reinzukommen. Ich lasse ihn nicht rein. Nicht ohne Kampf. Nein, Michael, nicht ohne Kampf! «
Danach hatte sich Mike den Tod als Mann im dunklen Gewand vorgestellt und stets gedacht, Memo würde ihn so verprügeln, wie sie den tollwütigen Hund verprügelt hatte. Jetzt senkte er den Kopf und sah ihr in die Augen, als könnte allein die Nähe den Kontakt herstellen. Er sah sein eigenes Gesicht, verzerrt von den Linsen ihrer Pupillen und dem Flackern der Petroleumlampe.
»Ich laß ihn nicht rein, Memo«, flüsterte Mike. Er sah, wie sein Atem die weißen Hände auf ihren Wangen bewegte. »Ich laß ihn nicht rein, wenn du es mir nicht sagst!«
Er sah, wie die Dunkelheit zwischen den Vorhängen und der Wand gegen die Scheiben drückte. Oben quietschte eine Diele, als sich das alte Haus bewegte. Draußen kratzte etwas am Glas.
Die Schallplatte war zu Ende, die Nadel schabte über die Endrille und kratzte wie Krallen auf Schiefer, aber Mike saß weiter da, hatte das Gesicht dicht bei dem von Memo und seine Hand fest auf ihrer.
Die Fledermäuse wirkten lächerlich, fern, und sie waren schon halb vergessen, als Dale Stewart neben seinem Bruder im Bandstand Park saß und Die Zeitmaschine sah. Dale hatte schon gehört, daß es sich um diesen Film handeln konnte - Mr. Ashley-Montague brachte häufig Filme mit, die ein paar Tage vorher in dem Kino in Peoria abgesetzt worden waren, das ihm gehörte -, und Dale war ganz versessen darauf gewesen, den Film zu sehen, da er letztes Jahr den Illustrierten Klassiker gelesen hatte.
Ein Windhauch brachte das Laub im Park zum Rascheln, als Rod Taylor Yvette Mimieux vor dem Ertrinken im Bach rettete, während apathische Eloi ausdruckslos zusahen. Lawrence saß auf den Knien -wie immer, wenn er
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