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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Harlen in einem Sauerstoffzelt, die Züge von durchsichtigem Plastik verzerrt, ganz von Sauerstoffflaschen umgeben, so wie Duanes Großvater, bevor er vor zwei Jahren gestorben war -, aber Jim schlief friedlich unter einem gestärkten Laken und einer dünnen Decke, und nur der dicke Gips an seinem linken Arm und die weiße Verbandkrone um seinen Kopf deuteten auf seine Verletzungen hin. Duane blieb stehen, bis die quietschenden Schuhe auf dem Flur vorbeigegangen waren, dann ging er näher ans Bett.
    Harlen schlug rasch die Augen auf, wie eine Eule, die wach wird, und sagte: »He, McBride.«
    Duane machte fast einen Sprung rückwärts. Er blinzelte und sagte: »He, Harlen. Alles klar?«
    Harlen versuchte zu lächeln, und Duane fiel auf, wie dünn und blutleer die Lippen des Jungen aussahen. »Ja, alles klar«, sagte Harlen. »Ich wach' hier mit verdammten Kopfschmerzen und einem total zu Klumpatsch geschlagenem Arm auf. Davon abgesehen geht es mir prima.«
    Duane nickte. »Wir haben gedacht, du bist ...« Er verstummte, weil er nicht >im Koma< sagen wollte.
    »Tot?« sagte Harlen.
    Duane schüttelte den Kopf. »Bewußtlos.«
    Harlens Lider flatterten, als würde er ins Koma zurücksinken. Er riß sie weit auf und runzelte die Stirn, als versuchte er, sich zu konzentrieren. »Ich glaube, das war ich. Bewußtlos, meine ich. Ich bin vor ein paar Stunden mit diesen beschissenen, elenden Kopfschmerzen aufgewacht und habe meine Mom am Bettrand sitzen sehen. Eine Weile dachte ich, es wäre Sonntagmorgen. Scheiße, ein paar Minuten wußte ich überhaupt nicht, wo ich bin.« Er sah sich um, als wäre er immer noch nicht sicher, wo er war.
    »Wo ist deine Mutter jetzt, Jim?«
    »Über den Platz, was essen und ihren Boß anrufen.« Harlen sprach langsam, als bereitete ihm jedes Wort Schmerzen.
    »Also ist alles klar?« fragte Duane noch einmal.
    »Ja, glaub' schon. Heute morgen war eine ganze Bande Ärzte hier, haben mir in die Augen geleuchtet und mich bis fünfzig zählen lassen und so weiter. Sie haben mich sogar gefragt, ob ich ihnen sagen kann, wer ich bin.«
    »Hast du?«
    »Klar. Ich hab' gesagt, ich bin Dwight Arschloch Eisen-hower.« Harlen lächelte trotz der Schmerzen.
    Duane nickte. Er hatte nicht viel Zeit. »Jim, kannst du dich erinnern, wie du dich verletzt hast? Was ist passiert?«
    Harlen sah einen Moment zu ihm auf, und Duane stellte fest, wie weit die Pupillen des Jungen waren. Har-lens Lippen zitterten, als versuchte er, das Lächeln an Ort und Stelle zu halten. »Nein«, sagte er schließlich.
    »Du kannst dich nicht erinnern, daß du Old Central besucht hast?«
    Harlen machte die Augen zu, seine Stimme war fast ein Winseln. »Ich kann mich verdammt an gar nichts erinnern«, sagte er. »Zumindest an nichts nach unserm dummen, hirnrissigen Treffen in der Höhle.«
    »Die Höhle«, wiederholte Duane. »Du meinst Samstag im Abflußrohr.«
    »Ja.«
    »Erinnerst du dich an den Samstagnachmittag? Nach der Höhle?«
    Harlen schlug die Augen auf; Zorn war darin zu sehen. »Eben habe ich gesagt, daß ich mich nicht erinnere, Dik-ker.«
    Duane nickte. »Du warst im Müllcontainer von Old Central, als sie dich am Sonntagmorgen gefunden haben ...«
    »Ja. Das hat Mom mir gesagt. Sie hat dabei geweint, als wäre es ihre Schuld.«
    »Aber du weißt nicht, wie du dorthin gelangt bist?« Duane hörte, wie über die Sprechanlage draußen ein Arzt gerufen wurde.
    »Nn-nnn. Ich kann mich an überhaupt nichts am Samstagabend erinnern. Könnte auch sein, daß du und O'Rourke und ein paar andre Scheißkerle mich aus dem Bett gezerrt, mir mit einem Knüppel eins übergebraten und mich dort abgeladen habt.«
    Duane betrachtete den gewaltigen Gips an Harlens Arm. »Kevins Mom hat gesagt, deine Mutter hat gesagt, daß dein Rad auf der Broad Avenue in der Nähe von Old Double-Butts Haus gefunden worden ist.«
    »Echt? Das hat sie mir nicht gesagt.« Harlens Stimme klang tonlos, unlustig und überhaupt nicht neugierig.
    Duane strich mit dem Finger am weichen Saum der Decke entlang. »Glaubst du, du hast es dort liegen lassen, weil du Mrs. Doubbet gefolgt bist? Vielleicht zur Schule?«
    Harlen hob die Hand und bedeckte damit die Augen. Die Fingernägel waren bis zu den Kuppen abgenagt. »Hör zu, McBride, ich hab' gesagt, daß ich es verdammt noch mal nicht weiß. Also laß mich in Ruhe, okay? Du dürftest nicht einmal hier sein, richtig?«
    Duane tätschelte Harlen durch den steifen Krankenhausstoff die Schulter. »Wir wollen alle

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