Sommer der Nacht
Unterstützung der Gesellschaft zu beschaffen -, da keine der beiden wünschte oder imstande war, Dr. Priestmanns Arbeit fortzusetzen, haben sie die Dokumente und anderen Bände gespendet.«
Duane nickte wieder. »Der Bradley?« Es schien logisch, daß die Unterlagen des alten Gelehrten der Universtität übergeben wurden, wo er seinen Titel gemacht und so viele Jahre unterrichtet hatte.
Mrs. Frazier sah ihn überrascht an. »Aber nein, mein Lieber. Die Unterlagen wurden der Familie übergeben, die die Forschungen von Dr. Priestmann all die Jahre wirklich unterstützt hat. Ich glaube, das war schon vorher so vereinbart gewesen.«
»Die Familie ...«, begann Duane.
»Die Familie Ashley-Montague«, sagte Mrs. Frazier. »Da du aus Elm Haven kommst - oder in der Nähe wohnst -, hast du doch bestimmt von den Ashley-Monta-gues gehört.«
Duane nickte, dankte ihr, vergewisserte sich, daß alle Bücher wieder ordnungsgemäß im Regal standen und er die Notizbücher in der Tasche hatte, ging hinaus, holte seine Thermosflasche und stellte erschrocken fest, wie spät es geworden war. Abendschatten erstreckten sich von den Bäumen und fielen über den Rasen des Gerichtsgebäudes und die Hauptstraße. Ein paar Autos fuhren auf dem Highway, ihre Reifen zischten auf dem abkühlenden Beton und erzeugten Geräusche wie Galopp an den geteerten Kanten des Belags, aber die Innenstadt selbst leerte sich gegen Abend zusehends.
Duane überlegte, ob er ins Krankenhaus sollte, um noch einmal mit Jim zu sprechen, aber es war Zeit fürs Abendessen, und er nahm an, Harlens Mutter würde dort sein. Außerdem mußte er noch zwei bis drei Stunden den langen Weg nach Hause laufen, und der Alte machte sich vielleicht Sorgen, wenn Duane bei Dunkelheit noch draußen war.
Duane pfiff und dachte an die Borgia-Glocke, die dunkel wie ein vergessenes Geheimnis im vernagelten Glok-kenturm von Old Central hing, während er sich zu den Schienen und nach Hause auf den Weg machte.
Mike gab auf.
Er hatte Montagnachmittag und den ganzen Dienstag nach Kräften versucht, Karl Van Syke zu finden, damit er ihm folgen konnte, aber der Mann war nicht aufzuspüren. Mike versuchte es, indem er sich bei Old Central herumtrieb, sah Dr. Roon am Dienstagmorgen kurz nach halb neun aufkreuzen und hielt Wache, bis eine Stunde später ein Trupp Arbeiter in einem Transporter erschien und anfing, Bretter vor die Fenster im ersten und zweiten Stock zu nageln. Mike lungerte weiter vor der Schultür herum, bis Roon ihn im Lauf des Vormittags wegscheuchte.
Mike überprüfte sämtliche Stellen, wo man Van Syke normalerweise aufstöbern konnte. In Carl's Tavern in der Innenstadt hingen drei oder vier der bekannten Trunkenbolde herum - darunter auch Duane McBrides Dad, wie Mike traurig feststellte -, aber kein Van Syke. Mike rief vom Telefon im A & P in der Black Tree Tavern an, aber der Barkeeper sagte, daß er Van Syke seit einer Woche nicht mehr gesehen hatte, und wer sprach überhaupt? Mike legte hastig auf. Er ging zu Fuß zur Depot Street und überprüfte J. P. Congdens Haus, weil er wußte, daß der dicke Friedensrichter und Van Syke häufig zusammensteckten, aber der schwarze Chevy war nicht da, und das Haus machte einen verlassenen Eindruck.
Mike überlegte, ob er zu den Gleisen rausfahren und sich die alte Talgfabrik ansehen sollte, aber er war sicher, Van Syke würde nicht dort sein. Eine Weile lag er einfach nur im hohen Gras beim Baseballdiamanten, kaute einen Grashalm und beobachtete den wenigen Verkehr, der am Wasserturm vorbei über die First Avenue strömte; hauptsächlich staubige Pritschenwagen von Farmern und große alte Autos. Kein Abdeckereilaster mit Van Syke am Steuer.
Mike seufzte, drehte sich auf den Rücken und sah zum Himmel hinauf. Er wußte, er wollte zum Friedhof Cal-vary fahren und den Schuppen inspizieren, aber das konnte er nicht. So einfach war das. Die Erinnerung an den Schuppen, den Soldaten und die Gestalt im Garten am Abend zuvor lagen Mike wie ein schweres Gewicht auf der Brust.
Er drehte sich herum und sah den silberverchromten Milchwagen von Kevin Grumbachers Dad von der Jubi-lee College Road kommen. Es war noch nicht Mittag, aber Mr. Grumbacher hatte sein Tagwerk fast vollbracht und die Milch von allen Milchfarmen des County geholt. Mike wußte, der Laster würde zur zwölf Meilen östlich gelegenen Molkerei Cahill fahren, gleich am Anfang des Spoon River Valley, und dann war Mr. G. mit seinem Arbeitstag fertig, davon abgesehen,
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