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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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mit Steinen werfen lassen. »Macht nichts«, sagte er. »Ich habe Roon heute morgen gefunden, aber er hat nur überwacht, wie die Fenster zugenagelt worden sind.«
    Mike sah hinüber. Old Central sah anders aus, wenn alle drei Stockwerke vernagelt waren - vier, wenn man die Kellerfenster mitzählte, und Mike konnte erkennen, daß sie die Fliegengitter entfernt, die Fenster zugenagelt und die Fliegengitter wieder eingesetzt hatten. Die Schule sah unheimlich aus ... auf seltsame Weise blind. Nun waren nur noch die winzigen Dachfenster im steilen Dach verglast, aber kaum ein Junge, den Mike kannte, konnte so hoch werfen. Das Dachgestühl war schon immer zugenagelt gewesen.
    »Vielleicht ist es doch keine gute Idee gewesen, den Leuten zu folgen«, sagte Mike. Lawrence wickelte Klebeband um Teile des nächsten Flugzeugs .. .»panzern«, sagte er.
    »Ich weiß, daß es heute morgen für mich wirklich keine gute Idee war«, sagte Dale. Die beiden anderen Jungs hörten auf, sich um ihre Munition zu kümmern, während Dale fast alles erzählte, was sich am Vormittag auf den Schienen abgespielt hatte.
    »Herrgott«, wisperte Kevin. »Kriminilistisch.«
    »Was hat Cordie dann gemacht?« fragte Mike und versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn ein Gewehr auf einen gerichtet wurde. C. J. Congden hatte in den unteren Klassen ein paarmal auf Mike herumgehackt, aber Mike hatte immer so hart, so schnell und so erbittert zurückgeschlagen, daß die beiden Halbstarken der Stadt dazu neigten, ihn in Ruhe zu lassen. Mike sah zur Schule. »Ist sie hergekommen und hat Dr. Roon erschossen?«
    »Wenn ja, haben wir es nicht gehört«, sagte Dale.
    »Vielleicht hat sie einen Schalldämpfer benützt«, sagte Mike.
    Kev verzog das Gesicht. »Idiot. Schrotflinten haben keine Schalldämpfer.«
    »War nur Spaß, Grunz-hacker.«
    »Krumm-knacker«, verbesserte Kevin gewohnt mürrisch. Er konnte es nicht leiden, wenn man seinen Namen verhunzte. Alle in der Stadt nannten ihn Grumm-packer.
    »Wie auch immer«, sagte Mike und grinste plötzlich. Er warf sanft einen Kiesel auf Dales Knie. »Und was machen wir jetzt?«
    »Nichts«, sagte Dale. Etwas in seiner Stimme verriet, es tat ihm leid, daß er es den anderen erzählt hatte. »Ich hüte mich vor C. J.«
    »Hast du es deiner Mom nicht gesagt?«
    »Nn-nnn. Wie sollte ich ihr erklären, daß ich Dads Fernglas mitgenommen hatte, um Cordies Haus auszuspionieren? Hm?«
    Mike verzog das Gesicht und nickte. Ein Spanner zu sein war eines, aber Cordie Cookes Haus zu spannen, das war echt daneben. »Wenn er dir nachstellt«, sagte er zu Dale, »helfe ich dir. Congden ist gemein, aber dumm. Und Archie Kreck ist noch dümmer. Wenn man beim Kämpfen auf Archies blinde Seite geht, hat er keine Chance.«
    Dale nickte, sah aber düster drein. Mike wußte, sein Freund war beim Kämpfen nicht besonders gut. Ein Grund, warum er ihn leiden konnte. Dale murmelte etwas.
    »Was?« sagte Mike. Gleichzeitig sagte Lawrence etwas vom Ende der Einfahrt.
    »Ich habe gesagt, ich habe nicht einmal mein Rad geholt«, sagte Dale zum zweitenmal.
    Mike erkannte in dem Tonfall denselben, den er bei der Beichte für seine schwerwiegendsten Süden aufhob. »Wo ist es?«
    »Ich habe es hinter dem alten Güterbahnhof versteckt.«
    Mike nickte. Wenn er das Rad holen wollten, mußte Dale in Congdens Viertel zurück. »Ich hole es«, sagte er.
    Dale sah ihn mit einer Mischung aus Erleichterung, Verlegenheit und Wut an. Die Wut, überlegte Mike, wahrscheinlich, weil er sich so erleichtert fühlte. »Warum? Warum solltest du es holen? Es ist mein Rad.«
    Mike zuckte die Achseln, stellte fest, daß er immer noch etwas Gras vom Feld bei sich hatte, und kaute auf der unteren Hälfte. »Mir ist das egal. Aber ich komme nachher auf dem Weg zur Kirche dort vorbei, daher wäre es logisch, wenn ich es hole. Denk doch nach... Congden ist nicht hinter mir her. Außerdem, wenn heute jemand auf mich ein Gewehr gerichtet hätte, würde ich das Risiko nicht noch einmal eingehen. Nn-nnn, ich hol' es nach dem Abendessen, weil ich da hoch muß, für Pater C. eine Besorgung machen.« Mike dachte: Noch eine Lüge. Ob ich die auch beichte? Er glaubte es nicht.
    Diesmal drückte Dales Gesicht eine solche Erleichterung aus, daß er den Kopf senken mußte, als würde er seinen Steinhaufen zählen, um es zu verbergen. »Okay«, sagte er leise. Und noch leiser: »Danke.«
    Lawrence stand zwanzig Schritte entfernt, das >gepan-zerte< Flugzeug in der Hand.

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