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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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»Seid ihr Heinis bereit, oder wollt ihr den ganzen Tag reden?«
    »Bereit«, sagte Dale.
    »Abschuß!« rief Kevin.
    »Ducken!« schrie Mike.
    Die Geschosse flogen.
    Der Alte war nicht zu Hause, als Duane kurz vor Sonnenuntergang eintraf, daher ging dieser wieder durch die Felder zurück zu Wittgensteins Grab.
    Witt hatte seine Geschenkknochen und die, die er nach dem Fressen bekam, immer hierher zu dieser flachen, grasbewachsenen Stelle auf der Ostwiese getragen und im weichen Boden auf dem Hügel über dem Bach verscharrt. Daher hatte Duane Witt dort begraben.
    Hinter der Wiese und den Maisfeldern im Westen hing die Sonne in dem dichten, aufgeblähten Sonnenuntergang von Illinois über dem Horizont, ohne den sich Duane sein Leben nicht vorstellen konnte. Die Luft um ihn herum war abendlich blaugrau, Geräusche reisten mit der langsamen Behendigkeit von Gedanken. Duane hörte das leise Schlurfen und Muhen der Kühe, die von den weiter entfernten Wiesenabschnitten zurückkamen, obwohl sie noch hinter dem Hügel im Norden seinen Blick verborgen waren. Rauch hing schwer in der Luft, weil der alte Mr. Johnson Unkraut an seinem Zaun entlang verbrannt hatte, mehr als eine Meile im Süden, und der Abend roch nach Staub und Müdigkeit und dem süßlichen Weihrauch dieses Qualms.
    Duane setzte sich neben Witts kleines Grab, während die Sonne unterging und der Abend langsam der Nacht entgegensank. Venus ging als erste auf, sie strahlte über dem Horizont im Westen wie eines der UFOS, nach denen Duane nachts in den Feldern sitzend Ausschau gehalten hatte, während Witt geduldig an seiner Seite lag. Dann bevölkerten die anderen Sterne nach und nach den Himmel; jeder war so fernab von jeder Lichtquelle deutlich zu erkennen. Die Luft kühlte langsam und widerwillig ab, Dua-nes Hemd klebte ihm in der Schwüle immer noch an der Leibesfülle, aber schließlich ließ die Tageshitze doch nach, und der Erdhügel unter Duanes Hand wurde kühler. Er strich ein letztes Mal über das Grab, schlenderte langsam zum Haus zurück und stellte wieder fest, wie anders es war, allein durch das hohe Gras zu gehen und nicht langsam zu schreiten, damit ein alter und halbblinder Collie den Anschluß nicht verlor.
    Die Borgia-Glocke. Er wollte mit dem Alten darüber reden, aber wenn sein Vater den ganzen Nachmittag bei Carl's oder in der Black Tree Tavern gewesen war, würde er nicht in Stimmung sein zu reden.
    Duane machte sich das Abendessen selbst, frittierte Schweine-geschnetzeltes in der großen Friteuse und schnitt mit geübter Hand Kartoffeln und Zwiebeln, während er eine Zeitlang den Sender WHO aus Des Moines hörte. Die stündlichen Nachrichten brachten das übliche - Nationalchina beschwerte sich immer noch in der UN darüber, daß Rotchina vergangene Woche Quemoy bombardiert hatte, aber niemand in der UN schien ein neues Korea zu wollen; die Vorstellungen am Broadway fielen immer noch wegen eines Streiks der Schauspielergewerkschaft aus; Senator John Kennedys Leute sagten, der einstige und zukünftige Kandidat würde nächste Woche in Washington eine bedeutende Rede zur Außenpolitik halten, aber Ike schien allen potentiellen Kandidaten die Schau zu stehlen, indem er eine großangelegte Reise in den Fernen Osten plante; die USA verlangten, daß Gary Powers von den Russen ausgeliefert wurde, während Argentinien darauf bestand, daß die Israelis den entführten Adolf Eichman zurückgaben. In den Sportnachrichten wurde gemeldet, daß beim Indianapolis 500 selbstgebaute Tribünen verboten werden sollten, weil dieses Jahr beim Rennen am Memorial Day eine eingestürzt war, wobei zwei Menschen ums Leben gekommen und fast hundert verletzt worden waren. Man sprach von einem bevorstehenden Kampf zwischen Floyd Patter-son und Inge-mar Johansson.
    Duane drehte die Lautstärke auf und hörte zu, während er allein an dem langen Tisch aß. Boxen gefiel ihm. Eines Tages würde er gern eine Geschichte darüber schreiben. Vielleicht eine über Neger... Neger, die Gleichberechtigung fanden, weil sie im Ring kämpften. Duane hatte vor Jahren gehört, wie der Alte und Onkel Art sich über Jackie Johnson unterhalten hatten, und die Erinnerung hatte sich in seinem Denken festgesetzt wie das Handlungsgerüst eines großen Romans. Es könnte ein guter Roman sein, dachte Duane, wenn ich wüßte, wie man ihn schreibt. Und genügend über Boxen und Neger und Jackie Johnson und das Leben und alles wüßte, ihn zu schreiben.
    Die Borgia-Glocke. Duane beendete sein

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