Sommer der Nacht
Feuerwehrmann, der die Hitze von Flammen hinter dem Holz zu spüren versucht - obschon es die Kälte war, die er halb durch die Fingerspitzen fühlte -, und dann stieß er die Tür weit auf und trat rasch und mit von der Schulter genommenem, schlagbereitem Baseballschläger ein.
Es fiel genügend Licht herein, daß man sehen konnte, das Zimmer schien verlassen zu sein, abgesehen vom dunklen Bündel, das Memo war, und dem gewohnten Durcheinander gerahmter Fotos auf jeder freien Oberfläche, Arzneifläschchen, dem Krankenhaustablettwägelchen, das sie gekauft hatten, dem zusätzlichen unnötigen Gewimmel ihres Schaukelstuhls, Großvaters Lieblingssessel in der Ecke, dem alten Radio Marke Philco, das noch funktionierte... alles wie üblich.
Doch als er so auf den Fußballen stand und den Baseballschläger erhoben hatte, war Mike überzeugt, daß er und Memo nicht allein waren. Die kalte Luft wehte und waberte lautlos um ihn herum, ein Strudel kalter, übelriechender Luft. Mike hatte einmal eine Gefriertruhe voll Hähnchen und Fleisch bei Mrs. Moon ausgeräumt, nachdem die Stromzufuhr zehn Tage lang unterbrochen gewesen war. Hier roch es ähnlich, nur kälter und abstoßender.
Mike hob den Schläger, als ihm der Wind ins Gesicht blies und um ihn herumwirbelte: Kalte Fingernägel kratzten über seinen Bauch und den Rücken, wo sie nicht vom Pyjama bedeckt waren; ein Gefühl, als würden ihm kalte Lippen über den Nacken streichen; übelriechender Atem an seinen Wangen, als wäre ein unsichtbares Gesicht Zentimeter von seinem entfernt und würde ihm die Fäulnis des Grabes ins Antlitz hauchen.
Mike fluchte und schwang den Schläger in der Dunkelheit. Der Wind peitschte um ihn herum; er konnte sein schwarzes Sausen fast hören, als würde ihm jemand in die Ohren zischen. Die losen Papiere im Zimmer waren davon unberührt. Kein externer Laut war zu hören, abgesehen vom leisesten Rascheln von Mais auf den Feldern der anderen Straßenseite.
Mike unterdrückte einen zweiten Fluch, schwang den Schläger aber wieder mit beiden Händen und stand in einer Haltung mitten im Zimmer, die teils die eines Schlägers und teils die eines Preisboxers war. Der dunkle Wind schien sich in die gegenüberliegende Ecke zurückzuziehen; Mike trat einen Schritt vor, sah über die Schulter, erblickte Memos blasses Gesicht im Bettzeug und machte statt dessen einen Schritt zurück, damit das, was hier war, nicht um ihn herumgehen konnte. Zu ihr.
Er kauerte sich vor Memo nieder, spürte ihren trockenen Atem im Nacken - und wußte nun immerhin, daß sie noch am Leben war - und versuchte, mit seiner eigenen Körperwärme die Kälte von ihr fernzuhalten.
Ein letztes Rascheln und Aufbäumen des Windes, fast wie ein leises Lachen, dann verschwand die Kälte durch das offene Fenster wie schwarzes Wasser in einem Ausguß.
Plötzlich ging die Lampe flackernd wieder an, die zischende Flamme und tanzenden Schatten im goldenen Licht erschreckten Mike so sehr, daß er aufsprang und sein Herz plötzlich ziemlich weit im Hals schlug. Er stand mit erhobenem Schläger da und wartete ab.
Die Kälte war fort. Nur ein laues Junilüftchen und die Laute der Grillen und das Rascheln von Blättern, die plötzlich wieder eingesetzt hatte, drangen zum Fenster herein.
Mike drehte sich um und kniete neben Memo nieder. Sie hatte die Augen weit offen, die Iris von beiden wirkte schwarz und feucht im Licht. Mike beugte sich nach vorn, war beruhigt, als er die raschen Atemzüge hörte, und strich ihr mit der freien Hand über die Wange.
»Alles in Ordnung, Memo?« Manchmal schien sie zu verstehen und blinzelte Antworten - einmal Blinzeln für ja, zweimal blinzeln für nein. Heutzutage kam jedoch meistens keine Antwort.
Ein Blinzeln. Ja.
Mike spürte, wie sein Herz wieder wie wild zu schlagen anfing. Es war lange her, seit Memo mit ihm gesprochen hatte - selbst in diesem einfachen Code.
Er spürte, wie sein Mund völlig trocken wurde. Er löste die Zunge vom Gaumen und rang sich die Worte ab: »Hast du das gespürt?«
Ein Blinzeln.
»War etwas da?«
Ein Blinzeln.
»War es ... echt?«
Ein Blinzeln.
Mike holte tief Luft. Abgesehen vom Blinzeln war es, als würde er mit einer Mumie sprechen, und im Halbdunkel schien selbst dieses Blinzeln eine Illusion zu sein. Er hätte in diesem Augenblick alles, was er im Leben noch verdienen konnte, dafür gegeben, daß Memo hätte mit ihm sprechen können. Und sei es nur eine Minute.
Er räusperte sich in plötzlicher
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