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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Abendessen, spülte das Geschirr und die Kaffeetassen zusammen mit dem Frühstücksgeschirr des Alten, verstaute alles im Schrank und ging durch das Haus.
    Es war dunkel, abgesehen vom Licht in der Küche, und das alte Gemäuer schien knarrender und unheimlicher denn je zu sein. Das Obergeschoß mit dem verlassenen Schlafzimmer des Alten und Duanes altem Zimmer war wie eine drückende Präsenz über ihm. Die Borgia-Glocke soll all die Jahre über uns da oben in Old Central gehangen haben? Duane schüttelte den Kopf und machte das Licht im Eßzimmer an.
    Dort standen die Lernmaschinen in all ihrer staubigen Pracht. Andere Erfindungen drängten sich auf Werkbank und Fußboden. Das einzige Angeschlossene und Funktionierende war der Anrufbeantworter, den der Alte vor einigen Wintern gebaut hatte, weil ihm auf die Nerven ging, daß er Anrufe verpaßte: eine einfache Verbindung von Telefonteilen und einem einfachen Spulentonbandgerät; steckte man sie in den Telefonstecker, gab das Gerät eine aufgezeichnete Botschaft von sich und bat den Anrufer, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Fast alle Anrufer - ausgenommen Onkel Art - legten erbost oder verwirrt wieder auf, weil eine Maschine ans Telefon ging, aber manchmal wußte der Alte anhand aufgezeichneter Flüche oder Murmeln, wer angerufen hatte. Außerdem genoß Duanes Vater die gereizten Reaktionen. Sogar bei der Telefongesellschaft. Die Leute von Ma Bell waren schon zweimal auf der Farm gewesen und hatten gedroht, den Apparat der McBrides stillzulegen, falls Mr. McBride nicht aufhörte, das Gesetz zu brechen, indem er mit Einrichtungen und Anlagen der Telefongesellschaft herumspielte, ganz zu schweigen davon, daß er gegen das Bundesgesetz verstieß, indem er Gespräche der Teilnehmer ohne deren Erlaubnis auf Tonband aufzeichnete.
    Der Alte hatte darauf hingewiesen, daß es seine Gespräche waren, daß die Leute ihn anriefen, daß das Bundesgesetz nur verlangte, die Leute mußten wissen, daß sie mitgeschnitten wurden - worüber er sie in seiner Ansage informierte -, und wenn man es genau betrachtete, war Ma Bell ein verdammtes kapitalistisches Monopolunternehmen und konnte sich Drohungen samt Ausrüstungen liebend gerne in den Arsch schieben.
    Aber die Drohungen hatten den Alten bewogen, seinen Beantworter nie zu vermarkten - seine >Telefonsklaven< nannte er sie. Duane war nur froh, daß sie überhaupt noch ein Telefon besaßen.
    Duane hatte die Erfindung des Alten in den zurückliegenden Monaten verbessert, so daß ein Licht blinkte, wenn Nachrichten aufgezeichnet waren. Er hatte vor, sie noch so weit zu verbessern, daß verschiedenfarbige Lichter leuchteten und verschiedene Anrufer anzeigten -grün für Onkel Art, blau für Dale oder einen anderen der Jungs, grellrot für den Typen von der Telefongesellschaft und so weiter, aber obwohl das Problem der Stimmerkennung nicht allzu schwer zu lösen gewesen war - Duane hatte einen umgebauten Tongenerator an einen ID-Stromkreis gekoppelt, der auf alten Bandaufzeichnungen von Anrufern basierte, und dann ein einfaches Schema für eine Rückkopplungsschleife zur Batterie des Wer-hat-angerufen-Lichts gemacht -, waren die Teile zu teuer gewesen, daher hatte er sich damit begnügt, daß für jeden Anruf auf dem Band ein Licht blinkte.
    Das Licht war aus. Keine Anrufe. Es kamen selten welche.
    Duane ging zum Fliegengitter der Tür und sah zur Lampe bei der Scheune. Sie tauchte die Wendeschleife und Nebengebäude in grelles Dampflampenlicht; die Felder dahinter wirkten dadurch noch dunkler. Die Grillen und Laubfrösche waren an diesem Abend besonders laut.
    Duane stand eine Minute lang an der Tür und überlegte sich, wie er Onkel Art dazu hingen konnte, ihn morgen zur Bradley-Universität zu fahren. Aber bevor er ins Eßzimmer ging, um ihn anzurufen, machte er etwas, das er noch nie vorher gemacht hatte. Er befestigte den Haken der Tür in der Öse und vergewisserte sich, daß die selten benützte Eingangstür abgeschlossen war.
    Das bedeutete, er mußte wach bleiben, bis der Alte heimkam, damit er ihn hereinlassen konnte, aber das machte nichts. Sie schlössen ihre Türen nie ab - nicht einmal bei den seltenen Anlässen, wenn Duane und der Alte über ein Wochenende mit Onkel Art nach Peoria oder Chicago fuhren. Sie dachten einfach nicht daran.
    Aber an diesem Abend wollte Duane nicht, daß die Türen unverschlossen blieben.
    Er klopfte auf den winzigen Haken im Holzrahmen, dachte sich, daß er ihn mit einem ernsthaften Ruck oder

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