Sommer in Ephesos
seine Hand auf meine Schulter.
Du bist das erste Mal hier?, fragte eine, ich nickte, wie ist es? Ich machte eine Bewegung mit den Händen, eine große Bewegung, dann brach ein Lachen aus mir heraus. Als ich mich umdrehte, sah ich Hubert. Er stand bei einer Gruppe, die redeten wild durcheinander, er stand ganz still. Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar, etwas verzog sein Gesicht, einer aus der Gruppe sagte etwas und Hubert nahm seinen Blick von mir.
Beim Abendessen saß ich bei meinem Vater, dass es Suppe gab, in schneeweißen geblümten Terrinen, entzückte mich. Ilse, sagte der Vater zu der Frau, die sich neben ihn gesetzt hatte, darf ich dir meine Tochter vorstellen.
Dein Vater hat sich so auf dich gefreut, sagte Ilse, sie gab mir die Hand, sie lächelte, da war eine Zurückhaltung in ihren Augen. Später legte sie einmal ihre Hand auf seinen Unterarm, kurz, ach so, dachte ich. Nach dem Essen wurde im Hof der Kaffee auf einem großen silbernen Tablett gereicht, schwarz in kleinen weißen Tassen. Wir saßen unter der Tamariske, deren Nadeln sich in meinem Haar verfingen. Ilse strich sich ihr kurzes schwarzes Haar hinter die Ohren und fragte mich, was interessiert sie das, dachte ich, über die Schule, die Matura, das war so weit weg, das war doch nicht mehr ich, weil es meinem Vater Freude machte, gab ich die richtigen Antworten.
Ilse arbeitet im Depot, sagte mein Vater, sie kann dir die Arbeit dort zeigen, die Funde von Jahrzehnten sind hier gelagert, da muss ja vieles noch aufgearbeitet werden.
Später, sagte ich, jetzt will ich erst einmal die Stadt sehen.
Du sagst es, wenn du so weit bist, sagte Ilse.
Klar, sagte ich, warum ärgerte mich die Freundlichkeit in ihrer Stimme?
Mein Vater legte den Arm um mich, Anastasía, sagte er. Ist es so, wie du es dir gedacht hast?
Besser, sagte ich. Viel besser.
Der Vater zog mich zu sich, ich erinnerte mich, wie es gewesen war, das Gesicht in seiner Jacke zu vergraben. Dann setzte sich noch einer zu uns, der war auch in der Früh angekommen, Martin, sagte er, wie scheu, und gab mir die Hand. Ich lehnte mich an meinen Vater, das war ungewohnt. Geht’s dir gut?, fragte er, sehr, sagte ich.
Die lysimachische Stadtmauer, sagte Martin, in ihrer Gesamtheit ganz neu untersuchen, das ist ja seit Keil nicht mehr passiert. Vom Bülbüldag bis zum koressischen Viertel, der Frage des fehlenden Verlaufsstückes nachgehen, die Baugeschichte und die Nutzungsphasen der Mauer und des Magnesischen Tores erkunden. Mein Vater lachte, genug für die nächsten paar Jahre, sagte er.
Ja, sagte Martin und runzelte die Stirn.
Martin ist einer unserer aufstrebenden jungen Wissenschaftler, sagte der Vater zu mir, Martin errötete, nicht so bescheiden, sagte der Vater, ich habe deine Dissertation gelesen, das hat mir viel Freude gemacht. Wie gehst du es heuer hier an?, fragte er dann, weil Martin aus seiner Verlegenheit nicht herauskam.
Dass er mit Astrid und Manfred beim Magnesischen Tor arbeite, sagte Martin, in zwei Wochen sei dann Mauerbegehung. Und Sophia?, fragte mein Vater, Sophia kommt in zwei Wochen, sagte Martin, und dann redete er vom Innen und vom Außen, dazwischen die Mauer, gehört die zum einen oder zum andern, sagte er. Und mein Vater lachte wieder, wem gehört eine Grenze, ein Zaun, eine Mauer eigentlich?
Bevor ich ins Hotel zurückging, zeigte mir der Vater noch sein Zimmer, dass du mich findest, wenn was ist, sagte er. Zwei Betten standen zusammen, auf beiden Nachtkästchen lagen Bücher, eine Brille, die nicht meinem Vater gehörte, ein Laptop, rauchst du?, fragte ich, weil da ein Feuerzeug lag.
Manchmal, sagte der Vater, nur hier.
Männerschuhe und Frauenschuhe, über einem Sessel hing ein Rock, du hast mir nie gesagt, dass du eine Freundin hast, sagte ich. Der Vater sah ein wenig verlegen aus, wir wohnen nicht zusammen, sagte er, in Wien wohnen wir nicht zusammen.
Wir sahen beide auf den Rock, hübsch, sagte ich, das ist ein hübsches Zimmer. Dann brachte er mich noch zur Pforte, Hubert saß nicht mehr im Hof, bis morgen also, sagte der Vater.
So war das dann zwei Wochen lang. Ich sah Hubert in der Früh, beim Frühstück vielleicht, er kam immer spät, er setzte sich nie zu mir, noch nicht einmal in meine Nähe. Ich sah ihn bei den Bussen mit den anderen stehen, er sah nie in meine Richtung. Ich sah ihn am späten Nachmittag vielleicht, wenn unsere Busse gleichzeitig im Grabungshaus ankamen, ich sah ihn am Abend, beim Abendessen, und wie er dann mit seinen
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