Sommer in Ephesos
Professorentöchterl.
Schneidend dann die Stimme des Vaters, Anastasía, wir fahren, also kletterte ich über Beine und Körbe, das ist meine Tochter, sagte der Vater, wenn ihr sie ein bisschen unter eure Fittiche nehmt.
Du hast mir nicht gesagt, dass Hubert auch hier ist, sagte ich.
Jetzt hast du ihn ja gesehen, sagte der Vater und wandte sich meiner Nachbarin zu, die Neuankömmlinge, sagte er, in die Arbeit einführen.
Ich dachte an Huberts Gesicht, wie ich auf ihn zugelaufen war. Gestern hatte ich es nicht gewusst, wer er war, meine wilde Freude und etwas wie Erstaunen bei ihm. Ich dachte an den, den ich gekannt hatte, früher, und was er gesagt hatte, das Töchterl, Professorentöchterl. Aber dann vergaß ich seine abweisende Stimme und was sein Gesicht verzogen hatte und auch das Erstaunen vom Vortag, wir sind da, sagte der Vater. Einer sprang aus dem Bus und schob ein Eisengitter auf. Wir fuhren auf einer staubigen Straße, die Morgensonne sprang golden von Distel zu Distel, wir fuhren auf einer marmornen Straße, die glänzte kühl. Ich bin da, dachte ich, und als pulsierte etwas wo, so war es, als ich Ephesos zum ersten Mal betrat.
Wer mit dem Schiff nach Ephesos reiste, lese ich auf einer der Seiten, die ich anklicke, der musste zunächst das Reich der Toten durchqueren. Die Schiffe aus aller Welt gelangten über einen drei Kilometer langen Kanal ins Hafenbecken, entlang des Kanals standen die Grabhäuser der wichtigsten Ephesier, Torbögen, Mosaike, Dachterrassen und Speisesäle für die Toten. Ankommende erfuhren so von Anfang an, wer die Reichen und Mächtigen der Stadt waren.
Die Verdienstvollen vielleicht auch, denke ich, dann hätte sich der Vater, das hätte er doch, ein solches Denkmal verdient, Dachterrassen und Speisesäle mit Blick auf das Hafenbecken und die Ebene dahinter, mit Blick auf die weiße Stadt.
Am Grab der Toten essen, schreibt der Vater. Der Pfarrer gibt mir keine Erlaubnis, den Leichenschmaus am Grab abzuhalten, schreibt er, Störung der Totenruhe, als wünschten nicht die Toten eine fröhliche Störung ihrer Ruhe. Und sollten nicht die Toten Labsal und Zehrung erhalten, ist nicht ihr Weg der düstere?
Der Ungebändigte, hat der Vater geschrieben, der Raue, der Ungeheure, ihm gegenübertreten. Die Anrufung als Wohlmeinender, schreibt der Vater, ist aber vielleicht nicht nur beschönigend, wer will denn ewig leben. Der Abscheuliche, der Abgewandte, der Mörderische, schreibt der Vater, bin ich das nicht selbst gewesen. Das bin ich, was werde ich also sehen.
Es macht mich wütend, als wäre es ein Verdienst, so einen Satz zu schreiben. Wem willst du was beweisen, denke ich, und was geht mich das alles an.
Weil Friedrich so offensichtlich kein Interesse zeigte, habe ich ihn verführt. Männer verführen, mit Männern schlafen, das war leicht. Dass sie so waren, machte sie mir verächtlich. Mir einen Körper nehmen, wenn ich einen wollte, das ist es, was ich nach dem Sommer in Ephesos gemacht habe. Wie auf dem Reißbrett habe ich mich neu entworfen, alles, was ich nach diesem Sommer getan habe, habe ich bis zur Erschöpfung getan. Bis zur Erschöpfung lernen und arbeiten, tanzen, mit einem Mann sein. Gleichgültig mit welchem Mann, gleichgültig wer, gleichgültig wo, keine Gesichter. Sich nehmen lassen, schnell, heftig. Schmerz zufügen, auslöschen, was sein könnte. Vernichtungsrasen, dann erst war ich ruhig.
Morgens, wenn außer uns noch niemand am Gelände war, lief ich durch die Stadt. Vom Theater über die Marmorstraße oder die untere Agora lief ich die Kuretenstraße hinauf. Ich sah zu, wie die Sonne auf die Celsusbibliothek fiel, ich stellte mir die Tabernen vor, die Kaufläden und Garküchen, die Trinkstuben und Handwerksbetriebe und das Treiben im Variusbad, Latrine, dachte ich jedes Mal, wenn ich durch die Latrine ging, und dass das Freudenhaus kein Freudenhaus gewesen war. Am Mosaikboden der Altyarchenstoa tummelten sich, vielfärbig in Blättergirlanden verschlungen, Enten und Tauben, ein kreiselndes Rad. Wie im Triumph lief ich an den Sockeln der Ehrenstatuen vorbei, und wenn ich mich umdrehte, leuchtete mir rosagold die Bibliothek entgegen. Ich lief über die Gasse nach links oder über den Domitiansplatz, lieber nahm ich diesen Weg, Steinschluchten, weil ich, am Brunnen vorbei, in dessen Stein sich die Wasserschöpfer mit ihren Seilen eingegraben hatten, so über die Domitiansgasse in die Südstraße kam. Dort lagen Steinblöcke unter Olivenbäumen,
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