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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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wie verloren war, ging ich in den Marmorsaal und drehte Steine, drehte sie, wendete sie und legte sie wieder zurück. Nach zwei Tagen verlor ich aber die Geduld mit den Steinen. Als wäre mir die Stadt verschlossen, floh ich in die Hügel.

    In meinem Haus, hatte der Vater gesagt. Ich war auf dem Treppenabsatz eingeschlafen, ich war aufgewacht, weil die Stimmen der Eltern laut waren oder weil die Musik nicht mehr war, kein Lachen und kein zärtliches Flüstern. Und du schämst dich nicht, in meinem Haus, sagte er noch einmal, die Mutter lachte.
    Geht es darum?, dein Haus, deine Frau, was bist du denn?, sagte der Vater, du bist ja nicht besser als irgendeine, eine was, sagte die Mutter, sag es, was ich bin, was bin ich?
    Wieso?, fragte der Vater.
    Fast sanft sagte die Mutter, ein guter Fick, weißt du noch, was das ist, hast du jemals gewusst, was ein Fick ist, ein richtig guter Fick? Der scharfe Atem des Vaters, du bist dir ja zu vornehm, sagte die Mutter, immer zu vornehm gewesen, durchficken, wie zärtlich sagte sie es, manchmal will ich einfach nur das, dass mich einer durchfickt, willst du das nie?
    Hör auf, sagte er, jetzt, sagte die Mutter, fick mich, sagte sie sanft. Etwas krachte und fiel um, die Mutter lachte leise. Sie tut ihm weh, dachte ich, fick mich, fick mich, fick mich, ein Wiegenlied, während jemand atmete und keuchte, fick mich, sagte die Mutter, drängend jetzt, und schlug und stöhnte und schrie. Dann war es still, nur das heftige Atmen, ein scharfer Geruch. Dann kam der Vater aus dem Wohnzimmer, ich zitterte auf dem Treppenabsatz. Mein Herz taumelte.
    Am nächsten Morgen stand der Koffer des Vaters noch immer im Vorraum, aber der Vater war nicht da. Die Mutter war im Garten, ich gehe fort von hier, sagte sie. Nicht weinen. Später kam der Vater. Er ging an mir vorüber, der scharfe Geruch der Verzweiflung, bitte, wollte ich sagen, bitte, aber, weil etwas reißen würde, das wusste ich, sagte ich nichts. Er ging ins Badezimmer, in die Bibliothek, ich strich mir ein Brot, es würgte mich, mir war schwindlig vor Leere. Noch später stritten die Eltern in der Bibliothek. Warum, sagte mein Vater, warum jetzt, warum überhaupt, was fehlt dir denn, hast du nicht alles, hab ich nicht alles getan, damit du, darum geht es nicht mehr, sagte die Mutter.
    Worum geht es dann, dass du ficken kannst, wen du willst, geht es darum?
    Wenn du es so sehen willst, sagte die Mutter kühl.
    Dass ich deine Depression ertragen habe, jahrelang, wirfst du mir jetzt meine Krankheit vor?, nein, sagte der Vater, aber du wirfst mir meinen Beruf vor. Ich werfe dir nichts vor, ich halte es nur nicht mehr aus. Was gibt es denn nicht auszuhalten, was ist so schwer auszuhalten, dass das Geld da ist, mit dem du dir kaufst, was du willst, dass du auf Urlaub fährst, wie oft im Jahr?, dass du, es ist nicht das Geld, oder gerade, es ist alles deins, nichts hier ist von mir, ich versteh dich nicht, deswegen muss ich ja weg.
    Keine Scheidung, sagte der Vater, nur dass du es weißt, das geht vorüber, ich nehme mir Zeit, wenn ich zurück bin, aber es ist zu spät, sagte die Mutter, begreifst du das nicht?, du begreifst es nicht, musst du auch nicht, es ist gleichgültig, ich gehe, ob du es willst oder nicht.
    Wovon willst du leben, sagte mein Vater, als Tänzerin? In deinem Alter wieder als Tänzerin? Oder fickst du dich hoch? Aber ob es dafür reicht. Etwas zersprang zwischen den Eltern. Ich presste mir die Hände an die Ohren, ich lief in den Garten, dort wisperten in einem Hauch die Lindenblätter. Als ich irgendwann, weil mich niemand holte, ins Haus zurückging, waren die Schatten lang. Ich saß auf meinem Bett, meine Arme, meine Beine fühlten sich an, als gehörten sie zu einer anderen. Der Vater stand in der Tür, ich muss weg, sagte er, mit dem Nachtzug, nach München. In der Dämmerung des Zimmers, ich bewegte mich nicht.

    Als ich am ersten Abend im Grabungshaus aus dem Bus sprang, war ein Strudel von Aktivität rund um mich, Instrumente und Kisten und Körbe und Rollen wurden ausgeladen, von einem anderen Bus kamen Leute, die meinen Vater begrüßten, die Anreise, sagte eine, eine Katastrophe, wir waren schon in der Luft, da haben sie uns wieder heruntergeholt. Beim zweiten Versuch gestern Abend mussten wir über München fliegen, die hatten einen Totalausfall, heute früh hat’s geklappt. Unsere Koffer, sagte ein anderer, sind angeblich in Venedig, dazwischen stellte mich mein Vater vor, meine Tochter, sagte er und legte

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