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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Leuten zusammensaß. Mit wem er später noch in die Stadt ging und mit wem er zurückkam, mit wem er im Haus verschwand, ich wusste, wo sein Zimmer war, ich hatte es auf dem Plan gesehen, der am Schwarzen Brett hing.
    Ich sah die Blicke, die sich die Leute zuwarfen, und ich hörte, was sie redeten, und ich habe ja gesehen, dass er nie alleine war. Dass er einmal mein Freund gewesen war, das konnte doch gar nicht gewesen sein. Manchmal dachte ich an den ersten Abend, ich war ihm entgegengelaufen, als hätte es eine Richtigkeit gehabt.
    An den Abenden saß ich mit dem Vater und Ilse zusammen, ich bemühte mich, sie zu mögen. Als ich dann mit Jan arbeitete, saß ich oft bei ihm, meine reizende Assistentin, sagte er zu den anderen, zu David, der im Depot prähistorische Pfeilspitzen zeichnete, zu Andreas und Gabi, Architekten, die im Projekt meines Vaters im Theater arbeiteten, oder ich saß bei Vildan, die mir an meinem ersten Tag die Hanghäuser gezeigt hatte, das Musenzimmer, das Medusenhaupt. In der zweiten Woche kamen ein paar Amerikaner, da fiel mir wieder ein, dass ich ja nach Amerika gewollt hatte, das war so lange her. Tagsüber vergaß ich Hubert. Aber am Abend und am Morgen war es mir, als hätte ich den ganzen Tag und die ganze Nacht an ihn gedacht.
    Einmal, gegen Ende der zweiten Woche, setzte ich mich am Abend neben ihn, da war noch ein Sessel frei und ich wollte, dass er mit mir redete. Hubert, sagte ich, das hatte ich mir so zurechtgelegt, freust du dich denn gar nicht? Weißt du nicht mehr?
    Die Studentinnen, die jungen Archäologinnen, die am Tisch saßen, wechselten lauernde Blicke. Weißt du es nicht mehr?, fragte ich noch einmal. Ich hab geglaubt, ich seh dich nie wieder.
    Anastasia, sagte Hubert, als hätte er nachdenken müssen, wie ich hieß. Was machst du hier?, fragte er, als hätte ich kein Recht, hier zu sein.
    Ich stotterte etwas von Matura und Ferien und Amerika und dass daraus nichts geworden war, dass es aber wirklich schön war in Ephesos, wirklich, sagte ich. Und er hörte mir zu, als wäre es schwierig zu verstehen, was ich sagte. Er legte die Stirn in Falten, tatsächlich, vermessen, sagte er, kannst du das denn? Aber natürlich, für die Tochter des Professors ist das ja kein Problem. Die Studentinnen lachten.
    Verstehst du denn, was du da tust?, fragte er und ich erklärte es ihm, weil ich erst dachte, er wollte es tatsächlich wissen, aber ich konnte es nicht mehr sagen, der Hohn in seinen Augen, wie das war mit den Signalen, die der Tachymeter aussandte. Zeit und Weg, sagte ich, er kräuselte die Nase, ich verwechselte die Formeln, das Blut war mir in den Kopf geschossen, und endete stotternd damit, dass Jan gesagt habe, ich würde das sehr gut machen.
    Hubert zog die Augenbrauen hoch, natürlich, sagte er, wie nicht anders zu erwarten für die Tochter des Professors. Und wann übernimmst du die Grabungsleitung?
    Ich sah, dass uns mein Vater beobachtete, vielleicht wäre er zu uns an den Tisch gekommen, aber Ilse hielt ihn zurück. Und du, fragte ich schließlich, weil ich mich nicht geschlagen geben wollte, bei welchem Projekt arbeitest du?
    Eine zornige Röte flammte in seinem Gesicht auf. Wenn du meinst, du kannst auch noch bei uns mitmischen, sagte er, seine Augen waren schmal, das wird nichts, nur dass das klar ist. Wir haben genug zu tun, auch ohne dass wir Kindermädchen spielen. Sag deinem Vater, wenn er etwas wissen will, dann soll er zu mir kommen. Ich rede mit ihm, er braucht mir keine Spione zu schicken.
    Am Tisch war es still geworden. Wie meinst du das?, fragte ich. Hubert winkte ab und stand auf. Von den anderen redete keine mit mir. Ich war nicht mehr hungrig, aber ich aß von allem, dem Reis, dem Fleisch, dem Gemüse, dem Salat, den Pfirsichen. Endlich konnte ich aufstehen. Als ich draußen war, fing mich Jan ab. Weißt du es denn nicht?, fragte er, was denn?, fragte ich, was zwischen deinem Vater und Hubert war.

    In Fundlage, hat der Vater gesagt, als er mir die Statue das erste Mal zeigte, nach meinem Fieber. Die Artemis von Ephesos, die Schöne, sagte er, in Fundlage. Ich war dabei, sagte er, als sie ausgegraben wurde, 1956, ich weiß es wie heute, ich war dabei, als sie sie herausgeholt haben. Kannst du dir das vorstellen, wie sie in der Erde gelegen ist, begraben oder wie ungeboren, während darüber die Stadt zerfällt und die Welt eine andere wird, der weiße Stein in der dunklen Erde. Vor über tausend Jahren ist sie von den Bewohnern der Stadt in die

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