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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Erde gebettet worden, um sie zu schützen, um sie zu bewahren, um ihres Schutzes weiterhin gewiss zu sein vielleicht auch. Nach mehr als tausend Jahren ist sie wieder ans Licht gekommen, die Welt ist aber eine andere geworden.
    Ich sah eine weiße Gestalt, in dunkler Erde, die eine Hand, die andere war abgeschlagen, nach mir ausstreckte. Bienen, sagte mein Vater, Greife und Sphingen und Stiere und Löwen, Hirsche, ein Skorpion, die Tierkreiszeichen, vielbrüstig, sagte der Vater, oder Eier, sagte ich.
    Die Welt hatte nach dem Fieber wieder ihre alten Farben, nur manchmal, schien mir, war da ein Schleier, und dahinter leuchteten die Farben kräftiger. Mit einer Hand gibt sie, sagte der Vater, mit der anderen nimmt sie.
    Was?, fragte ich.
    Alles, sagte der Vater. Sie gibt alles, und sie nimmt alles.
    Die ganze Welt?
    Die ganze Welt, sagte der Vater.
    Wieso ist dann alles immer noch da?
    Der Vater lachte. Weil sie es wieder gibt. Sie gibt und nimmt im selben Moment. Die Welt zerfällt und entsteht wieder neu, und zerfällt und entsteht, alles im selben Moment, kannst du dir das vorstellen?
    Nein, sagte ich.
    Ich auch nicht, sagte der Vater. Er sah mich an. Was hat sie getan?, fragte er. Als du sie gesehen hast, was hat sie getan?
    Mein Leben lang, wird er später sagen, mein Leben lang habe ich davon geträumt. Der sein, der sie findet, der sein, der sie ausgräbt. Dass er es sein sollte, der ihr die Erde von den dunklen Zügen streicht, dass er es sein sollte, der ihr Lächeln unter seinen Fingern spürt, der sie aus der Erde hebt, das habe ich gesehen, später, als Hubert dann die Göttin ausgegraben hat.
    Sie war so groß, sagte ich. Ich habe Angst gehabt.
    Ein Kribbeln war auf meiner Haut gewesen, das wusste ich noch, über und unter der Haut.
    Da war ein großes Rad, das hat sich gedreht, sagte ich, das hat sich so schnell gedreht. Da war ein Rauschen, ich habe Angst gehabt. Und dann nicht mehr. Ihre Augen waren bernsteingelb. Sie hat mich gesehen.
    Ihr Bild, sagte der Vater, ist vom Himmel gefallen.

    Wir haben eine Abmachung, Friedrich und ich, eine Sonntagsabmachung, das hat sich so ergeben. Einige Dinge haben sich über die Jahre so ergeben, Friedrich misst dem mehr Bedeutung bei als ich. Dass er einen Schlüssel zu meiner Wohnung hat, das hat sich so ergeben. Einmal war ich krank, ich bin drei Wochen gelegen und Friedrich hat mich mit allem versorgt. Als er mir den Schlüssel zurückgeben wollte, habe ich gesagt, behalte ihn. Bist du sicher?, hat er gefragt, ja, habe ich gesagt. Wenn ich sterbe, ist jemand da, der mich findet.
    Sehen wir uns morgen?, fragt er an den Samstagen, ja, sage ich, oder ich sage, lieber nicht, nicht dieses Mal. Manchmal ist es noch dunkel, wenn er kommt, im Halbschlaf weiß ich, dass er in der Tür steht. Ich strecke die Hand aus, er setzt sich an den Bettrand, komm zu mir, murmle ich im Halbschlaf, er zieht sich aus, er legt sich neben mich. Ich erlaube ihm, dass er mich in die Arme nimmt, manchmal tut das weh. Wir schlafen miteinander, manchmal ist es, als wäre er schrecklich müde. Etwas wie Scham ist in seinem Gesicht, weil ich ihn nicht liebe.
    An den Sonntagen, an denen es uns gut geht, macht er uns Frühstück, wir gehen in die Stadt oder fahren hinaus, aber wenn ich die anderen sehe, die aneinander hängen, ineinander verschlungen, kann es sein, dass mir die Luft fehlt, geh jetzt, sage ich dann. Und manchmal ist das schon um fünf Uhr Früh, geh, sage ich, weil ich es nicht ertrage, dass da einer ist neben mir.

    Das sieht ihm ähnlich, sagt die Mutter, als ich ihr am Telefon erzähle, dass der Vater sein Begräbnis bis ins Detail geplant hat, selbst die Parte, sage ich, hat er formuliert.
    Er hat eine Liste geschrieben, wer aller zur Zehrung geladen ist, sage ich der Mutter, du stehst auch drauf, aber das weißt du, oder?
    Von der anderen Seite der Welt kommt ein kleines Geräusch, tatsächlich, sagt die Mutter, das ist großzügig von ihm. Und Ilse?, fragt sie nach einer Pause, was weiß sie von Ilse? Ja, sage ich, aber ich glaube nicht, dass sie kommt.
    Der Vater hat schöne Frauen gemocht. Ich war zu schön, hat die Mutter gerne gesagt. Wenn ich nicht so schön gewesen wäre, jung und schön, dein Vater hätte mich doch gar nicht bemerkt, der hatte doch immer nur Augen für seine Steine. Die Ehe hat mich hässlich gemacht, hat die Mutter gesagt. Ich konnte nicht mehr tanzen, ich musste stillhalten, jahrelang, das hat mich hässlich gemacht, das war das Unglück mit deinem

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