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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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dann in der Restaurierwerkstätte vor dem Erdblock stand. Das ist ein Brett, sagte ich, das ist nicht viel mehr als ein großes Brett. Wenn sie restauriert ist, wirst du mehr sehen, sagte Hubert. Sie ist jetzt aufgequollen, sie ist noch nicht gereinigt, schau genau hin, sagte er, aber ich sah nur ein Brett, ein Stück Holz.
    Auch am Abend war der Vater nicht da, er ist nach Wien geflogen, sagte Ilse, ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Nach dem Abendessen ging ich mit Hubert ins Depot, wo Maria und Bertram das Holz versorgten. Wie in ihrem früheren Leben, sagte Hubert, wird sie wieder versorgt, gekleidet, gespeist, geölt, er beugte sich über das Holz, suchte etwas in den aufgequollenen Zügen der Göttin, eine Pein zuckte in seinen Händen. Wir gingen früh zu Bett, wir lagen ganz still zusammen. Der nächste Tag war heiter, fast gelassen, der letzte Tag des Sommers.

    Der Mutter steht die Trauer gut. Wie sie, ein wenig wie im Schmerz erstarrt, die Augen überquellend, aber nur fast, ihre Hand auf die Hand der Kondolierenden legt, ein gemurmeltes Wort, ein herzzerreißendes Lächeln, nur ich weiß, dass sie sich königlich amüsiert.
    Sie müssen die Leute begrüßen, sagt mir die Frau Pölzinger, zu der ich mich im Gasthof geflüchtet habe, das ist Ihre Aufgabe hier. Also stelle ich mich neben die Mutter, schüttle Hände, thank you for coming, thank you so much, sagt die Mutter und erkundigt sich angelegentlich, wo in Amerika?, Chicago, sagt sie, we should meet over there.
    Die Frau Pölzinger führt die Gäste zu den Tischen, es ist ja nicht so viel Familie hier, flüstert sie mir zu, wir haben einen Tisch für die Familie reserviert, aber ansonsten keine Sitzordnung, das findet sich schon von selbst.
    Ein Schwung Leute kommt, Barbara, rufe ich, Stefan, Sophia, Ingrid, Werner, Anastasia, sagen sie einer nach dem andern, schütteln mir die Hand oder umarmen mich. Big hug, sagt einer, das ist John, ein bisschen ungeschickt vielleicht, das ist Jan, Jan, sage ich, ich hab so Angst gehabt, ich wäre ganz allein. Weil ich dann ein wenig in Tränen ausbreche, zieht mich Jan von der Tür weg. Was denn, ganz allein, sagt er. Wir reden später, er nickt zur Tür, da steht Ilse. Die Mutter hat sich auf einen älteren Herrn gestürzt. Die Zerstörung in Ilses Gesicht ist sehr sichtbar, rotgefleckt, ein vernarbtes Weiß, Ilse, sage ich, dass du gekommen bist. Verzeih mir, möchte ich sagen, mich in ihre Arme werfen, ich konnte doch nicht nicht kommen, sagt Ilse. Sie nimmt mich in die Arme, mein armes liebes Kind, sagt sie, als wäre ich wieder siebzehn. Ich möchte tot sein, auf der Stelle. Setz dich zu uns, sagt Jan, Ilse lächelt, das verzieht ihr Gesicht.
    Junge Menschen stehen vor mir, Studenten, Studentinnen, herzliches Beileid, sagen sie und wissen nicht recht, wie sie mich ansehen sollen. Ich habe Ihrem Vater so gerne zugehört, sagt ein Mädchen, alles habe ich da verstanden, sie legt die Hand auf die Brust.
    Ja, sage ich, ich weiß.
    Neben den Studenten sitzen die Musiker, das war sehr schön, sage ich, das hätte dem Vater gut gefallen. Sind Sie alle Kollegen meines Vaters?, frage ich, sie nicken, C. A., sagt einer, Collegium Archaeologicum. Normalerweise spielen wir mehr Jazz, Blues, sagt er, Ihr Vater hat uns aber schon vor Jahren für diesen Auftritt engagiert. Also haben wir von Zeit zu Zeit ein mögliches Programm mit ihm diskutiert, seitdem sind wir manchmal auch klassisch unterwegs.
    Einer stellt sich vor, Michael, sagt er, Michael Schwind, ich soll Sie von Martin grüßen. Er hat mich gebeten, Ihnen das hier zu geben. Er drückt mir ein Päckchen in die Hand. Das hing in unserem Büro, sagt Michael, er hat es mir dagelassen, als er in den Irak gegangen ist. Aber jetzt, sagt er, soll es Ihnen gehören.
    Ich wickle aus, was in Packpapier geschlagen ist, einen Bilderrahmen, eine Fotografie, es ist die Mauer in den Hügeln, an einem frühen Morgen in der frühen Sonne. Ein Zettel liegt dabei. Irgendwo dazwischen leben wir, steht darauf.
    Martin hat gesagt, Sie wissen, was er meint. Michael sieht mich an. Ja, sage ich, ich glaube schon.
    Weil mir wieder Tränen in die Augen schießen, drücke ich das Bild an die Brust, ich sage noch einmal Danke und flüchte. Setz dich endlich, Kind, sagt die Omi, setz dich zu mir. Ich kann nicht lange bleiben. Und wann sehe ich dich sonst, es muss einer sterben, dass ich dich sehe.
    Das stimmt nicht, Omi, sage ich, ich hab nur grad so viel zu tun.
    Ja ja, sagt die Omi, du

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