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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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lächelt ein leises, feines Lächeln, berufsbedingt war der Verstorbene vielleicht ein wenig ein Heide. Berufsbedingt stand er im Dienst einer Göttin, die schon unter das Gesetz des Lebens und Sterbens gefallen war. Das Abbild des Göttlichen aber, hat der Professor in einer seiner Arbeiten geschrieben, das Abbild des Göttlichen ist überall, im Gras, im Baum, im Stein, im Tier, im Menschen neben uns, und nichts ist wirklich verloren, weil die Göttin gibt und nimmt und wieder gibt. Hier trifft sich vielleicht der Heide mit dem Christen und das Geheimnis, das der Tod ist und das Leben, enthüllt sich beiden gleich.
    Der Vater war ganz hohl gewesen, das weiß ich plötzlich wieder, inwendig ganz hohl. Er war in der Tür zur Bibliothek gestanden, dunkel, er hatte mich in seine Arme gerissen, als hätte er geschluchzt. Du tust mir weh, habe ich gesagt, aber das war, weil er hohl gewesen war.
    Zum Ausgang Kohelet, hat der Herr Professor gesagt, sagt der Pfarrer. Der Pfarrer nickt mir zu, wie freundlich. Wohlan denn, sagt er. Iss fröhlich dein Brot und trinke wohlgemut deinen Wein! Denn dies ist dein Anteil am Leben und an deiner Mühe, die du dir unter der Sonne machst. Alles, was deine Hand zu tun findet, das tue, solange du es vermagst.
    Noch einmal lächelt der Pfarrer mir zu, dann bricht die Orgelmusik über mich herein.

    Ich bin mit Hubert in die Grube geklettert, in der die Göttin unter einer schwarzen Folie lag. Die Hitze, die Luft, das Licht, das ist Gift für sie, sagte Hubert und drehte die Scheinwerfer, die den Platz um die Grube ausleuchteten, ab. Es ist ein Wunder, sagte er. Das dürfte es gar nicht geben, verstehst du, dass sie sich erhalten hat. Wenn du mich gefragt hättest, ich hätte dich ausgelacht. Völlig unmöglich, hätte ich gesagt, aber hier ist sie und in einem Zustand, es ist ein Wunder.
    Und wieso, fragte ich, wenn es so unmöglich ist?
    Du meinst, abgesehen davon, dass es ein Wunder ist? Hubert lachte. Sie liegt in der Sandschicht, sagte er, Schwemmschicht, das hilft. Es muss immer feucht gewesen sein, das ist auch jetzt das Wichtigste, sie darf nicht austrocknen. Wir müssen sie feucht halten, deswegen auch die Beutel, die Folie, aber du kannst sie kurz ansehen.
    Er hob die Folie. Holz, dachte ich, als der Strahl seiner Taschenlampe über sie tanzte, ein Stück Holz, das schwarz glänzte. Siehst du ihr Gesicht? Ja, sagte ich, aber ich sah nichts, das Allerheiligste war ein gleichgültiges Stück Holz.
    Lange nach Mitternacht war der Erdblock mit seinem hölzernen Kern endlich im Depot. Was geschieht mit ihr?, fragte ich Hubert, da war es schon fast wieder Morgen.
    Sie gehört jetzt nicht mehr mir, sagte er. In den nächsten Wochen, vielleicht Monaten, gehört sie den Restauratoren. Sie muss langsam getrocknet werden, sonst kollabiert sie. Sie tränken sie in Polyethylenglycol, das stabilisiert das Holz, dann kommt sie in die Gefriertrocknung, das ist ein langwieriger Prozess. Erst wenn der abgeschlossen ist, übernehmen die Archäologen sie wieder, aber da werde ich nicht mehr dabei sein.
    Ist das schlimm?
    Hubert lag mit weit geöffneten Augen neben mir. Ich hätte es verdient, dass sie mir gehört. Als ginge das, er lachte. Sie kann ja keinem gehören, das habe ich heute begriffen. Aber, er drehte sich zu mir, ich werde immer der sein, der sie gefunden hat. Das kann mir keiner nehmen, sagte er heiser. Sie gehört niemandem, verstehst du. Huberts Hände fuhren über meinen Körper, aber ich, ich habe sie gefunden.
    Ich habe es begriffen, sagte er, endlich begriffen, wie in einem Fieber redete Hubert. Ich kann nicht da sein, wo dein Vater ist. Dein Vater denkt, nicht, sagte ich, nicht vom Vater reden, er denkt, es geht mir darum, ihn auszustechen, aber das stimmt nicht. Du sollst nicht über den Vater reden, sagte ich, gar nicht mehr reden.
    Am nächsten Morgen saßen wir beim Frühstück beieinander, mir war übel vor Angst, aber der Vater war nicht da.
    Du hast deinen Vater sehr gekränkt, sagte Ilse. Wie willst du das bereinigen?
    Es gibt nichts zu bereinigen, sagte ich, und es geht ihn nichts an, mit wem ich schlafe. Ich frage ihn ja auch nicht, mit wem er schläft. Ilses Augen verdunkelten sich.
    Hubert verbrachte den Vormittag im Depot. Der Vater war nicht bei dem Bus, der zum Theater fuhr, er war nicht im Büro und nicht im Zimmer, wo ich ihn schließlich suchte. Die Zeit, die verging, füllte mich mit einer Leere.
    Sie ist kleiner als die Schöne Artemis, sagte Hubert, als ich

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