Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
Vom Netzwerk:
Weil ich nichts darauf erwiderte, wiederholte sie ihre Frage. Du bist doch ein hübsches Mädel, sagte sie, wenn du dich noch ein wenig auswächst, könntest du eine Schönheit werden, doch, sagte sie, als ich die Augen verdrehte, das sage ich nicht als Mutter, das sage ich als Profi, ich habe genug Mädchen gesehen, du machst nur einfach zu wenig aus dir.
    Sie musterte mich mit ihrem Kennerblick, den ich hasste, du hast eine gute Knochenstruktur, sagte sie, ich drehte den Kopf weg, als sie nach meinem Kiefer griff. Gute Zähne, gute Haare, ich bin kein Pferd, Mama, sagte ich, hör auf damit.
    Warum du deinen Busen versteckst, verstehe ich nicht, fuhr meine Mutter fort, zieh dir einen BH an und zeig, was du hast, Männer wollen was sehen, Männer funktionieren über die Augen, merk dir das. Sie winkte dem Kellner und bestellte noch ein Glas Champagner.
    Das interessiert mich nicht, Mama, sagte ich. Wieso soll ich mich herausputzen wie ein Zirkuspferd, für wen und wozu, das ist so lächerlich. Wenn ich mir die Mädchen aus meiner Klasse anschaue, sobald so ein Typ auftaucht, kennst du sie nicht wieder, das ist ein blödes Herumgetue, die sind doch alle sowas von daneben, sagte ich.
    Daneben, wiederholte die Mutter, und was heißt das?
    Das heißt, sagte ich ungeduldig, dass sie sich in hirnlose Idiotinnen verwandeln, in dumme Gänse, kuhäugige Zombies, das ist mir doch echt zu blöd. Und schau dich an, sagte ich, wütend, weil wir dieses Gespräch nicht zum ersten Mal führten.
    Ja, sagte meine Mutter lauernd, was ist mit mir?
    Nichts, sagte ich. Ich stopfte mir ein Lachsbrötchen in den Mund.
    Hast du ein Problem damit, dass ich mir nehme, was ich will?, fragte meine Mutter.
    Nein, sagte ich.
    Hast du ein Problem damit, dass ich mein Leben so lebe, wie ich es will?
    Nein, sagte ich.
    Und dazu gehört, das kann dir ja nur schwerlich entgangen sein, auch ein erfülltes Sexualleben.
    Ja, sagte ich. Klar, sagte ich. Ich hab kein Problem damit, du tust, wie du willst. Aber lass mich tun, wie ich will.
    Meine Mutter lehnte sich lächelnd zurück. Sie fuhr sich mit den Händen durch ihr langes Haar, das war kastanienbraun wie meines, mit einem rotgoldenen Schimmer darin, du wirst schon noch draufkommen, sagte sie.
    Worauf?, fragte ich unvorsichtigerweise.
    Wie gut das tut, sagte meine Mutter, ein guter Fick, sagte sie, vielleicht um sich dafür zu rächen, dass ich sie während des gesamten Frühstücks nie Eva genannt hatte. Ein Morgenfick, sagte sie und ihre Augen glitzerten, ein Abendfick, ein Nachmittagsfick.
    Hör auf, sagte ich, ich kann das nicht hören.
    Meine kleine prüde Tochter, sagte sie. Wie komme ich bloß zu einer so prüden Tochter?
    Ich bin nicht prüde, sagte ich. Ich hasse es nur, wenn du so redest.
    Woher plötzlich die Tränen kamen, weiß ich nicht, aber da saß ich, auf der Terrasse des Hotels Sacher, an einem Augustvormittag, bei einem Champagnerfrühstück mit meiner Mutter und weinte. Dass meine Mutter von mir weggehen würde, weil es da einen Morgenfick gab, einen Abendfick; für einen Nachmittagsfick würde sie gehen und mich im Stich lassen.
    Tränen, sagte meine Mutter. Trink einen Schluck, das hilft. Mein Gott, sei froh, sagte sie, du kannst noch weinen und siehst dabei umwerfend aus. Deine Geburtstage, sagte sie und trank aus meinem Glas, erinnern mich immer daran, wie alt ich selber bin.
    Ich wischte mir das Gesicht ab, ich putzte mir die Nase, wie ich so alt war wie du, sagte die Mutter, siebzehn, so jung, sagte sie, Herrgott bist du jung. Sie starrte mir ins Gesicht.
    Ich hatte Träume, sagte sie, träumt ihr denn noch, ihr Jungen?
    Eva, bitte, sagte ich, tu nicht so, als wärst du schon alt.
    Ich habe an meine Träume geglaubt, fuhr meine Mutter fort. Ich wollte beides machen, klassisches Ballett und modernen Tanz, ich wollte eine Verbindung finden, anders, als es alle anderen vorher gemacht hatten, ich wollte eine eigene Schule erfinden, eine eigene Kompagnie gründen.
    Aber das hast du doch gemacht, du hast –
    Sie winkte ab. Zu spät, viel zu spät. Was weißt du schon. Eine Tänzerin ist mit fünfundzwanzig alt, wir sind uralt, die wir mit fünfunddreißig immer noch tanzen.
    Meine Mutter war damals neununddreißig und ich fürchtete mich vor ihrem vierzigsten Geburtstag. Das stimmt doch nicht, sagte ich und nahm ihr mein Glas aus der Hand.
    Mit zwanzig, sagte meine Mutter, sie winkte dem Kellner mit ihrem leeren Glas, war ich auf dem Sprung zu einer Weltkarriere. Die Breuer,

Weitere Kostenlose Bücher