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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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hätte es heißen können, Paris, London, New York – ich hätte es mir aussuchen können, aber nein, ich hab mir was mit dem Herrn Professor anfangen müssen, ich hab ein Kind kriegen müssen, ich hab gemeint, ich muss Ehefrau spielen in einer großen Villa. Natürlich sollst du deinen Beruf ausüben, hat der Herr Professor gesagt, aber er hat geglaubt, es reicht mir, als Dritte von links im Staatsopernballett zu tanzen, dreimal in der Woche, und ich hab noch nicht einmal das bekommen, noch nicht einmal Dritte von links im Staatsopernballett, nach deiner Geburt. Deine Geburt, sagte sie, und was danach kam, du hast ja keine Vorstellung.
    Jetzt war es meine Mutter, die die Fassung verlor, gehen wir, sagte ich, es ist genug, Eva, ich zahlte, ich winkte einem Taxi. Es tut mir leid, sagte meine Mutter, als wir zu Hause waren, was bin ich für eine Mutter, am siebzehnten Geburtstag meiner Tochter, ist schon gut, sagte ich, es ist gut, leg dich hin.
    Am Abend traf ich meinen Vater, der erzählte von Raubgrabungen in Ephesos, es ist ein Verbrechen, sagte er, was da alles am Schwarzmarkt auftaucht. Ein Verbrechen an der Wissenschaft, ein Verbrechen an der Stadt. Ich zuckte mit den Schultern, warum habe ich eine Mutter, hätte ich gerne gefragt, die jungen Männern nachläuft, die sie benutzen, oder die sie benutzt? Du hast das zugelassen, dachte ich, warum hast du das zugelassen, du hast uns gehen lassen, du hättest uns aufhalten sollen, das hättest du doch tun müssen. Weißt du noch, wie wir die Hanghäuser ausgegraben haben, fragte der Vater, nein, sagte ich patzig, weiß ich nicht, ich war da nicht dabei.
    Freust du dich über das Geschenk?
    Er hatte mir einen Zeichenkasten geschenkt, mit Buntstiften, Kohlestiften, Kreiden, Fixierspray, Aquarellfarben, Acrylfarben, Mappe, Rahmen und Leinwand, du hast als Kind so gerne gemalt, sagte er, Herrgott, dachte ich, als Kind gerne gemalt, doch, sagte ich, ich freu mich.
    Dann waren wir beide verstimmt und quälten uns durch eine Konversation, bis wir anständigerweise aufbrechen konnten. Beim Abschied tat mir der Vater plötzlich leid, er sah müde aus, ich ruf dich an, Professor, sagte ich, als hätte ich einen Vater, so war sein Lächeln. Ich spürte, da war ich schon zu Hause, noch immer die leichte Berührung seiner Hand auf meiner Schulter, als hätte ich einen Vater.

    Soll ich zu dir kommen?, fragt Friedrich, nein, sage ich. Bist du sicher?, fragt er, ja, sage ich, wie war es im Bestattungsinstitut?, gut, sage ich, ich muss mich um nichts kümmern, das läuft wie am Schnürchen. Ich muss aufhören, sage ich, sehen wir uns morgen?, fragt er, vielleicht, sage ich, mal sehen, ich muss jetzt aufhören.
    Im Umschlag, den mir die Frau Pölzinger gegeben hat, war ein gebundenes Buch, Notizbuch, in Quart, der Vater hat gerne in Quart geschrieben. Die gleichmäßige Schrift des Vaters auf dem Umschlag, seine gleichmäßige Schrift, als ich das Buch aufgeschlagen habe. Anlässlich meines Todes, hat der Vater geschrieben, das sind die ersten Worte auf der ersten Seite.
    Was willst du?, sage ich, ich lege das Notizbuch weg, was geht das mich an, was soll ich damit?
    Ich stelle mich unter die Dusche, ich lasse das heiße Wasser rinnen, Wasser, sagt mein Vater, ist ein kostbares Gut und soll auch so verwendet werden, geh weg, sage ich, lass mich in Ruhe.
    Im Kühlschrank sind Eier, Schinken, ich mache mir eine Eierspeise und setze mich damit vor den Fernseher. Sollte ich nicht, denke ich, und die bunten Bilder flirren über den Schirm, irgendetwas fühlen, weil mir übel ist von den bunten Bildern, kippe ich die Eierspeise in den Mistkübel. Im Wohnzimmer plärrt es aus dem Fernseher, ich öffne eine Flasche Wein, ich trinke, wie durstig, ein Glas.
    Wein trinkt man zum Genuss, sagt der Vater, Trinkkultur, sagt der Vater, das geht dich nichts an, sage ich, du bist tot. Eben, sagt der Vater, nein, sage ich, nur weil du tot bist, musst du nicht glauben, dass das etwas ändert zwischen uns, das ändert gar nichts, hörst du, gar nichts ändert das. Für mich, das sage ich sehr laut, für mich bist du schon lange tot gewesen, und ich für dich, was soll das also ändern?
    Du bist betrunken, sagt der Vater, na und, sage ich, und du bist tot.
    Betrunkene Frauen, sagt der Vater, widerlich. Es sind ja, sagt der Vater, Blödsinn, sage ich, aber der Vater insistiert, betrunkene Frauen sind ja noch abstoßender als betrunkene Männer, vollkommener Blödsinn, sage ich und schwenke mein Glas,

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