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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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werden. Max war wie ein guter
Bruder. So kamen wir schließlich — viel später als die anderen — oben an, aber
auf halbem Weg kam Onkel Herbert uns entgegen. Er war der einzige, der unsere
Abwesenheit bemerkt hatte. Er sagte und nahm mein Gesicht in die Hand: «Marga,
ich dachte es mir wohl — aber nun nimm dich zusammen, dieses ist doch das
Richtige so, das wirst du später einsehen.» Er hatte aber selbst Tränen in den
Augen, als er sagte: «So, mein süßes Kind, nun weine nicht mehr.»
    Oben war die ganze Familie, und niemand
sah meine roten Augen, und niemand hatte bemerkt, daß ich so lange Zeit
verschwunden war.
    Mitte Juni reist Rudi ab nach Dresden,
und ich möchte dann schnell noch zu Euch, ehe ich nach Schwalbach fahre.
    In großer Liebe
    Eure Matti
     
     
     
    Brief von Bertha Deneken
    an Marga Berck
     
     
    Hannover, 6 . Juni
    Meine arme liebe Matti!
    Dein gestriger Brief hat John und mich
schwer erschüttert. Nun laß Dir folgendes sagen: Du darfst jetzt nicht
wieder nach Lesmona, das mußt Du mir fest versprechen. Die Erinnerungen dort
würden ja auch eine stärkere Natur als Deine umwerfen. — Ich glaube fest, daß
Du Dich inzwischen oben bei Linsche schon etwas beruhigt hast — sie ist doch
mehr für Dich als Kamillentee. Dann überlege, wann Du zu uns kommen
kannst. Dein Zimmer ist fertig. Du kannst jeden Tag und jede Stunde kommen.
Auch an den Waschtagen geht es immer, weil wir jetzt dann immer zum Essen in
das kleine Restaurant gehen, das Du so liebtest. Also Du weißt, daß John und
ich in Sehnsucht auf Dich warten. Aber nun kommt die Hauptsache! Weißt Du noch,
wie wir beide vor etwa zwei Jahren eines Abends von Quentells nach Hause kamen,
als der Mond so zauberhaft hinter der Mühle stand und wir beide ganz berauscht
stehenblieben? Da sagtest Du: «Ich glaube, wir sind Glückskinder, was haben wir
für eine himmlische Kindheit gehabt, und ich glaube fest, daß das immer so
weitergeht.» Ich erschrak damals, ohne zu wissen, warum. Aber siehst Du, in
Deinem Glauben an ein ständiges Glück lag der Rechenfehler. Wir sind nämlich
nicht in die Welt gesetzt, um glücklich zu sein — das ist nicht der Sinn des
Lebens. Die Leiden, die uns geschickt werden, sollen uns näher zu Gott führen,
wir sollen unser Kreuz tragen, und wenn wir zu dieser und anderer Erkenntnis
gekommen sind, werden wir für andere eine Kraft und Hilfe werden.
    Du redest immer von Deiner Schuld. John
und ich sehen keine Schuld bei Dir. Die Liebe, die Gott Dir durch Percy
schickte, war ein Gnadengeschenk, und sie wird gewiß in diesem Maße wenigen
gegeben. Es war ein so großes Glück, daß es gar nicht länger dauern konnte. Daß
Du Rudi Dein «Ja» gabst, war auch nicht nur die «Macht der Stunde», wie Du es
immer nennst, und nicht nur «Schwäche» von Dir, sondern Du mußtest es aus
Deinem innersten Wesen heraus — schicksalhaft — sagen. Wenn Du ihn wirklich gar
nicht liebtest, hättest Du längst mit ihm gebrochen. Daß Du das nicht tatest,
ist gar nicht nur Angst vor Deinem Vater, es ist eine schicksalhafte Macht! — Ich
bin überzeugt, daß Du an Rudis Seite viel leiden wirst. Wir haben beobachtet,
daß er gar nicht weiß, wie Du bist. Aber vielleicht wird er eines Tages
erkennen, wenn Du mit Gottes Hilfe das Leben mit ihm tapfer trägst und
versuchst, ihn auf andere Wege zu führen. Wenn das nicht der Fall sein sollte,
so hast Du das Deine getan und mußt es Gott überlassen, Dir einen Weg zu
zeigen, der Dich aus dieser Dunkelheit herausführt. Glückliche Menschen werden
auf die Dauer hart, kalt und egoistisch. Du kannst ein Segen werden für viele.
Du schreibst mir immer, was Du mir alles verdanktest und was ich für Dich
gewesen wäre. In Wirklichkeit warst Du mir aber doch noch viel mehr. Du hast
doch keinen Apfel gegessen, ohne mir nicht die Hälfte abzugeben! Alles Schöne
hatte ich durch Dich! Was hätte ich in Darneelen gemacht ohne Deine Briefe und
ohne Deine rührenden wöchentlichen Pakete! Wie wäre meine Kindheit in dem guten
alten Philisterhaus trostlos gewesen! 1 John sagt, er kennte niemand, der
solche Wärme ausströmte wie Du, und ich sage, ich kenne niemand, der sich so
für andere aufopfern kann wie Du! Glaube nicht, Matti, daß ich nicht auch
kämpfe. Ich liebe John, und ich will alles tragen, was durch ihn mir auferlegt
wird.
    Nun erstmal auf Wiedersehen in 3 Tagen!
    In inniger Liebe
    Deine Bertha
     
     
    Bremen, den 12. Juni 95
    Meine liebe liebste Bertha!
    Erst gestern haben wir

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