Sommer in Lesmona
Das Armband trage ich immer. Rudi hat
in Bremen nie danach gefragt.
Ich kann mir denken, daß Dein John sich
in Darneelen langweilt! Geht doch lieber früher dort weg, sonst kriegt er
schlechte Laune. Grüße ihn innigst.
Für Dich viele Küsse
von Deiner Matti
Langen Schwalbach, den 24. Juli 95
Liebe Liebste!
Nur in Eile, daß mir jetzt von den
Eltern die Pläne mitgeteilt worden sind. Am 28., Sonntag, Abreise nach
Frankfurt, wo ich die Eltern treffe. Gretchen fährt dann nach Dresden zurück
und ich am selben Tag mit den Eltern nach München. Am 31. Ankunft in Kreuth, wo
wir fünf Wochen bleiben. Wir wollen dann Anfang September Dich und John in
Hannover besuchen, weil die Eltern Deine Wohnung sehen wollen! Das ist für mich
ein Lichtpunkt. In Kreuth wird Rudi Anfang August erwartet — Papa hat ihn für 2-3
Wochen eingeladen. Im Oktober soll ich mit Mama in Dresden die Etage aussuchen,
denn wir wollen im März 96 heiraten.
Bete für mich!
Deine Matti
Kreuth, den 2. August 95
Liebe liebste Bertha!
Vorgestern sind wir hier angekommen. Es
ist zu schön, immer dieselben lieben Freunde wiederzutreffen! Ich bin hier in
den zwei Tagen schon aufgelebt. Denke Dir, in Schwalbach wurde ich ganz
melancholisch und dachte nur noch an Percy. Hier wird es besser sein,
Tina und Elsa v. L. lassen mich nicht zum Nachdenken kommen. Die Erinnerungen
an Egon berühren mich sehr wenig, nur die Bank in der Langenau am Wasserfall
hat mich sehr gerührt.
Nun kommt Rudi etwa am 7. August. Die
Eltern sind furchtbar gut zu mir — sie ahnen vielleicht doch, daß ich nicht
gerade eine strahlend glückliche Braut bin, aber sie wissen nichts von Percy!
Grüße John und schreibe mir bald!
In Liebe
Deine Matti
Kreuth, den 5. August 95
Lieber liebster Engel!
Dein heutiger Brief hat mich ganz
umgestülpt. Mit Tränen der Rührung und der Freude las ich, daß Du ein Kind
erwartest. Am liebsten wäre ich sofort zu Dir gefahren, um Dich zu umarmen. Daß
Du morgens so übel bist, ist wohl unangenehm, aber Mama sagt, das hätten fast
alle erwartenden Frauen. Nun schone Dich bitte und übe nicht zu viel Klavier!!
Du hattest im Juni schon Rückenschmerzen davon. Wie gut ist es, daß ich Dich in
vier Wochen sehen kann.
Rudi kam gestern an. Ich schreibe bald
mehr. Mama freut sich auch innigst mit Dir und mir über Dein Baby. Und küsse
John von mir!
In großer Freude denkt an Dich
Deine Matti
Bad Kreuth, den 12. August 95
Liebste einzige Bertha!
Wie rührend ist es von Dir, daß Du
trotz Deines eigenen großen Erlebens noch Zeit hast, an mich zu denken, und
alles genau von mir wissen willst. Rudis Macht über mich ist dieselbe, ich tue
alles, was er will, aber ich bin nie glücklich. Hier ist seit Jahren ein
Ehepaar R., es sind Juden, aus Berlin mit einer aparten Tochter Lotte. Es sind sehr kultivierte Leute, und für die bezaubernde Mutter habe ich von jeher
geschwärmt. Die Lotte ist ein großes Weishuhn und sehr eingebildet auf ihre
Intelligenz. Sie leben etwas abseits, aber Rudi hatte durch den Maler
Liebermann Beziehungen zu ihnen. Er redet nun viel mit der Tochter, und ich
merke jedesmal, daß er mich nachher kühl behandelt, wenn er mit ihr zusammen
war. Was soll ich von alledem erzählen, was mich täglich kränkt und erbittert!!
Es wird ein seichter Quatsch daraus, und ich habe ja dieses dem fünfjährigen
Warten auf Percy vorgezogen! Aber eins muß ich Dir erzählen, denn das
ist etwas wirklich Unheimliches. Hier war von Anfang an ein junger Leutnant von
Putlitz, der gleich mit Lindequists und uns verkehrte. Er ist das Gegenteil von
meinem Typ, aber furchtbar nett und rasend komisch. Zum Beispiel kam er an
einem Nachmittag, als Rudi noch nicht da war und wir wegen Regen in der
Wandelhalle Tee tranken, nicht wie sonst an unseren Tisch, sondern saß für sich
allein und hatte einen großen Regenschirm so aufgespannt, daß wir ihn nicht
sehen konnten. Wir platzten vor Neugier, was er da wohl drunter machte.
Schließlich schickten wir Ollo L. hin, daß er mal nachsehen sollte. Er kam
zurück und sagte, wenn wir es sehen wollten, sollten wir nur kommen. Da saß er
und stopfte Unterhosen, daneben lagen noch Strümpfe. Er sah rasend komisch aus. Zu mir war er sehr ritterlich und reizend. Nun kam Rudi an. Von
diesem Moment an war zwischen ihm und Rudi ein gerakte Spannung. Ich sagte zu
Rudi, daß er nur ritterlich zu mir gewesen sei. Aber es nützte nichts.
Rudi bringt natürlich keine Eifersucht für
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