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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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diese Macht, die von ihm ausgeht. Dann sagte er: «Jetzt wollen
wir in den Park gehen, ich habe hier früher als kleiner Junge sehr oft meine
Sommerferien verbracht.» Im dunklen Park waren Lampions, es war ein
zauberhaftes Bild. Die Musik tönte herüber. Da sagte er, ob ich mich
entschließen könnte, seine Frau zu werden, und er fügte leise hinzu: «Denn ich liebe
Sie sehr.» Nun kam die furchtbare Macht, die mich sagen ließ: «Ja.» Er küßte
mich andächtig auf die Stim und dann ebenso auf den Mund. Wir sprachen wenig
und gingen bald ins Haus zurück. In mir war ein Chaos von Gefühlen. Papa hatte
gemerkt, daß ich mit ihm im Park verschwunden war, und sagte: «Halte dich
bereit, wir gehen gleich weg.» Darüber war ich sehr glücklich. Dr. Retberg
flüsterte mir beim Abschied zu: «Ich schreibe morgen an deinen Vater nach
Norderney, Bremer Häuser 8, und dir schreibe ich postlagernd unter ‹MMI›.» Ja,
das war alles. Im Wagen sagte Papa: «Du warst ja mit Dr. Retberg im Park
verschwunden.» Ich: «Wir haben uns verlobt.» Papa: «Daraus kann nichts werden,
er ist ja lungenkrank.» Ich: «Jetzt nicht mehr — er war es, er wird
diesen Winter in Dresden bleiben.» Papa sagte ganz erschüttert: «Da hat man nun
eine einzige Tochter und kann sie nicht vor einem solchen Schicksal bewahren,
es ist furchtbar. Jedenfalls wartet Ihr erst, bis er einen oder zwei Winter im
Norden ausgehalten hat, und du schreibst ihm inzwischen nicht .»
    Zu Haus ging ich an Mamas Bett und
sagte: «Mummi, ich hab mich heute mit Dr. Retberg verlobt.» Sie sagte: «Mein liebes Mieckchen, mit dieser schrecklichen Nachricht hättest du mich heute abend
wohl noch verschonen können.» Dann merkte ich, daß sie weinte. Ich kniete an
ihrem Bett und küßte sie.
    Am anderen Morgen nach 7 fuhren wir ab.
Ich hatte Linsche noch alles erzählt, und sie sagte: «Über dich muß man sich
die Augen aus dem Kopf weinen. Dann warte doch lieber fünf Jahre auf den
Engländer!» Wie ich an Percy dachte, warf ich mich aufs Bett und schluchzte. In
dieser Nacht träumte ich einen sonderbaren Traum. Ich stand an einem Wegweiser
im Walde und sah zwei Wege vor mir, der eine Weg war eine Chaussee mit Bäumen,
ganz endlos lang, geradeaus, ich konnte sie gar nicht zu Ende sehen. Dahin
zeigte der Wegweiser, auf dem «Percy» stand. Der andere Weg war ganz dunkel,
und ich fühlte, daß ich Angst davor hatte und vor einem Abgrund, der am Ende war.
Auf diesem Wegweiser stand «Dresden». Ja, wo sollte ich nun hin? Da kamst Du
und Papa und Linsche und noch viele mehr, und Ihr wolltet mich alle abhalten,
in den dunklen Weg hineinzugehen, und plötzlich kam Mama und rief: «Miecke,
hier ist doch noch ein dritter Weg, sieh mal, der geht nach ‹Kreuth›.» Da riß
ich mich los und lief in den Weg mit dem Abgrund.
    Hier in Norderney fühlte ich mich nun
ganz erlöst, fern von allen Gefahren. Ich schicke Anna zur Post oder hole mir
selbst Rudis Briefe dort ab. Er hat bei Papa angehalten, und Papa hat
geantwortet, er sollte erst ein oder zwei Winter in Dresden abwarten, ob er
gesund bliebe, dann könne er wieder anfragen. Rudis Briefe waren zuerst sehr,
sehr schön, und ich fühlte so stark den Zauber seiner Sprache. Jetzt werden die
Briefe schon ziemlich langweilig. Du ahnst aber nicht, was das Meer jetzt für
mich bedeutet! Hier lassen sie mich ruhig allein den Strand entlanggehen, aber
sie ahnen nicht, wie weit ich gehe. Es ist der Weg in den Himmel — weit weg von
der Erde. Und daneben das Rauschen des Meeres. Der Strand ist schon sehr leer
jetzt Ende September, und man ist allein mit Gott. Ich fühle so stark das Schicksal, das mich treibt. Ich weiß, daß das Erlebnis mit Percy das einzigste und höchste
Glück bleiben wird.
    Nun zähle ich die Tage, bis ich Deine
Antwort habe. Was wird Dein John sagen? Ob Ihr mich unaussprechlich schwach und
dumm findet?
    In großer Liebe und Sehnsucht
    Deine Matti
     
     
    Norderney, 30. September 94
    Liebe einzige Bertha!
    Gestern morgen bin ich zwei Stunden
weit am Strand gelaufen bis zum Leuchtturm. Es war spät geworden, und
Gottseidank fuhr ein Einspänner mit zwei Damen zurück, die mich mitnahmen. So
war ich pünktlich zu Tisch da. Dieses Laufen auf dem harten Strand neben dem
großen, tiefen Meer macht mich so unbeschreiblich glücklich. Zweimal hat Papa
mich mit dem alten Visser zum Segeln mitgenommen. Es war ganz herrlich. Ich
ließ Dir von Nicola Högell einen Knüppelkuchen schicken, den Du ja so gern
magst, und

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